Sorgentelefon

Anrufbeantworter, oder neudeutsch Mailboxen, sind zu einem Teil des Alltags geworden. Da jeder Mann und jede Frau jederzeit erreichbar sein müssen, aber physisch nicht immer erreichbar sein können oder wollen, müssen diese Maschinen uns zuweilen vertreten. Nun sollte man annehmen, dass der Umgang mit einem so alltäglichen Gerät zu einer gewissen Routine geführt hätte und reibungslos vonstatten ginge. Mitnichten!

Während man sich den 80ern oft einen Stuhl nehmen musste, um die originellen Ansagen der gerade in die Mode gekommenen AB’s über sich ergehen zu lassen, hat sich der Spaß der kreativen Ansage heute auf den Anrufer verlegt.

Dabei vermittelt mein Anrufbeantworter drei sehr einfache Informationen:
1.Wer ich bin
2.Wann ich da bin
Und drittens! : Wie man mir antworten möge!

Punkt 3 besagt wörtlich: „Wenn sie mir ihre Telefonnummer hinterlassen, rufe ich sie zurück!“

Vorweg – niemand hinterlässt einfach seine Telefonnummer. Warum auch? Die habe ich doch irgendwo gespeichert. Notfalls habe ich sie in eine Werkstattplanke geritzt und außerdem steht sie ja noch im Telefonbuch – zumindest die alte. Außerdem gibt es wichtigeres zu vermitteln:

„Walter? Bist Du da? Wenn Du da bist, geh’ mal dran! 10 – 9 – 8 – 7... Haalloo?? Walter?“

Noch ist der Anrufer jedoch meilenweit davon entfernt mir mitzuteilen, was der Anlass seiner Bemühung ist: „Jetzt erreiche ich dich nicht – das ist doof – scheinbar bist du nicht da...“

Das ist messerscharf herausgearbeitet und letzthin der Grund dafür, warum die Maschine an meiner statt den Anruf entgegen nahm. „Es ist nämlich so...“ versucht sich der Anrufer zu sammeln, der niemals seinen Namen, oder wenn, nur den Vornamen preis gibt, um die Verknüpfung mit einer real existierenden Person meinem geschulten Musikergehör zu überlassen.

„...es ist so, dass ich mich mit Dir gerne über meine Gitarre unterhalten hätte,“ geht es weiter. Hätte der Anrufende jetzt anstatt von einer Gitarre von eingewachsenen Fußnägeln oder einer Erbschaft gesprochen, ließe sich der Kreis etwas einengen, aber beim Gitarrenbauer geht es halt immer um Gitarren. Und so tappe ich weiter im Dunkeln....

Einige Zeit später hebt sich der Vorhang etwas, denn das Wort „Lackierung“ kommt ins Spiel. Ich stehe inzwischen seit 5 Minuten vor dem Anrufbeantworter und lausche erwartungsvoll... Im Moment höchster Konzentration, der Anrufer redet undeutlich und die Wiedergabe ist schlecht, reißt mein Sohn plötzlich die Tür auf und fragt in den einzigen Satz, der Licht in das Dunkel gebracht hätte: „Papa, wann ist das Essen fertig?“

Ich zische „vermutlich niemals!“ und drücke mit zitternder Hand auf die Repeat-Taste:

„Walter? Bist Du da? Wenn Du da bist, geh’ mal dran......“ zwitschert es erneut aus dem Apparat.... Gnnnahh – ruhig bleiben.... Nach Minuten des angestrengten Wartens bin ich wieder an der bekannten Stelle.

Caddy-waas? Cadyllac , Caddy.. oder gee..gelber Lack? Könnte das Andreas mit seiner Vintage Lackierung sein? Aah ja! Natürlich. Andreas! Andreas Müller mit der Bodylackierung seiner Tele!

„...Ja und darum stehe ich hier gerade in dem Lackgeschäft und brauche dringend Deinen Rat", tönt es jetzt nach Ewigkeiten überflüssigen Geblubbers aus dem Automaten. Puhhh! Das war eine schwere Geburt.

Wichtige Nachrichten entstehen am Anrufbeantworter wie ein Branntwein: Alles – die ganze Welt muss einmal aufgekocht werden, damit...... endlich!! .... eine einzige Perle inhaltlichen Destillats aus dem Lautsprecher geronnen kommt.
Inzwischen beginnen beim Anrufer aber die Krampfadern zu schmerzen, oder vielleicht wird auch nur sein Akku schwach, denn er schießt plötzlich und abschließend ein kurzes Stakkato in die Muschel:

„Unter der alten Nummer wirst Du mich nicht erreichen rufmichaufdemhandyan01794635787925bisdanntüüüüüüt.

Wie ging die Nummer nach der 8 weiter??

„Anruf 2 von 7“ quäkt die Maschinenstimme meines Anrufbeantworters....
"Gib mir den Pürierstab", rufe ich tonlos meinem verhungerten Kind in der Küche zu. "Ich will mich damit töten."