Lohnt sich das?
Das Smartphone hat die Kommunikation verkürzt. Auf jeden Fall! Will man etwas mitteilen, braucht es keine Telefonnummer mehr. Namensspeicher aufgerufen – ein paar Zeilen mit den Daumen eingehackt –und zack – weg! Das ist im Grunde sehr praktisch. Zumindest für den Versender. Leider hat sich vielerorts auch die Semantik analog verkürzt, was es für den Empfänger schwer machen kann, den Inhalt der mal eben eingetackerten Kurzbriefe zu entziffern. Dazu kommt ein weiteres Phänomen: Menschen, die praktisch den ganzen Tag die Welt durch ihr Smartphone betrachten, gehen irgendwann davon aus, dass der Angeschriebene umgekehrt sie und ihre Probleme sehen kann, was Erklärungen und Details ihrer Probleme in ihren Augen überflüssig macht. So erreichen mich dann immer häufiger im Affekt hin geschriebene E-Mails folgenden Inhalts:
Meine Gitarre hat den Hals gebrochen. Kann man das reparieren? Lohnt sich das noch?
An dieser Stelle beginnt das Frage/Antwort Spiel, auf das ich mich nur mit Widerwillen einlasse, denn jede Antwort erzeugt wieder eine weitere Kurzfrage und am Ende hat keiner etwas verstanden und alle sind genervt. Der Fragende will ja eigentlich die entlastende Antwort lesen: "Das ist nicht schlimm - Wir können das - Das wird nicht teuer - Morgen ist wieder alles gut..." Ich würde ihm ja über das Köpfchen streicheln, wenn das hülfe, aber so einfach geht es beim besten Willen nicht.
Natürlich können wir alles reparieren. Wir sind Zupfinstrumentenmacher. Hilfreich wäre es zu wissen, um welche Gitarre es sich handelt. Damit lässt sich aber die Frage noch nicht klären, ob sich die Reparatur lohnt – es sei den, es geht um eine 56er Les Paul. Hat das Instrument eine Geschichte? Hat der Besitzer damit vielleicht seine Frau gewonnen? Darauf seine ersten Akkorde gelernt? Damit eine Kneipenschlägerei gewonnen? Wie soll ICH beurteilen, ob sich die Reparatur lohnt? ICH muss die Reparatur doch nicht bezahlen! Gefährlich ist auch die Bitte um Photos. Da kommen dann schnell 10GB Daten angeflogen, auf denen man unscharfe Staubkörner erahnen kann. Ja! Smartphones können nicht nur keine Musik und keine brauchbare Sprachübertragung – sie können auch besonders gut keine Photos machen – außer Selfies, bei denen Unschärfe ja durchaus gefragt ist.
Das Problem ist, dass es für eine hilfreiche Auskunft einer intelligent und präzise gestellten Frage bedarf. Beides entspricht jedoch nicht dem Zeitgeist und ist auch nicht eben so vermittelbar, so dass ich mir überlegt habe, dem Fragenden drei Antworten zur Auswahl anzubieten:
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Version A:
Ich finde es gut, dass Sie uns nicht mit Details Ihrer Gitarre ablenken. Lassen Sie es uns fühlen! Wow! Ihre Gitarre gehört zu den schützenswerten Arten! Ich spüre es! Geben Sie sie um Gottes Willen nicht in die falschen Hände! Dieses wunderbare Stück (bitte unzutreffendes durchstreichen) Deutscher / Amerikanischer / Japanischer / Chinesischer Instrumentenbau Historie gehört in ein Museum! Wir werden keine Mühen und vor allem keine Kosten scheuen, um Ihre Gitarre wieder in den Zustand zu versetzen, in dem sie sich vor diesem unseligen Missgeschick befand. Was schreibe ich?!? Sie werden Ihre Gitarre nicht mehr wieder erkennen! Wir haben auf Sie gewartet, lassen alles stehen und liegen und fokussieren all unser Können und Wissen auf Ihre Perle des Kunsthandwerks. Das wird natürlich nicht billig, aber lohnt sich. Vertrauen Sie mir! -
Version B:
Ich brauche gar keine Informationen zu Ihrem Gerät! Was fällt Ihnen ein, unsere Werkstatt mit diesem Mist zu beleidigen?! Gehen Sie mir damit aus den Augen! Wenn Sie sich eine Gitarre aus dem Chinesischen Takeaway kaufen, ist ein 2-minütiges Gespräch mit mir über das Wetter bereits ein wirtschaftlicher Totalschaden! Da habe ich das Wort „Gitarre“ noch nicht gebraucht. Ich bin Kunsthandwerker, kein Chinesischer Flickschuster. Wenn Sie mir eine Gitarre vorlegen können, bei der die Lohnkosten höher liegen als der Preis eines Mc Donalds Menüs, werfe ich vielleicht einen mitleidigen Blick auf Ihren Trümmerhaufen. Wenn nicht, tun sie das selbe, was sie mit dem beigelegten Spielzeug der Mäckes Company tun: 1 mal anfassen – aus den Händen gleiten lassen – auf dem Boden vergessen. Und jetzt gehen sie weg. Sie machen mich traurig! -
Version C:
Ich kann nicht nur ihre Gedanken lesen – ich kann auch durch Ihren Computer sehen. Dafür ist ja die kleine Kamera über dem Bildschirm! Beschreibung von Instrument und Schaden ist darum völlig überflüssig! Jaja nää keine Mühe machen! Ob sich das noch lohnt? „Meine Frau hat das Bein gebrochen – lohnt sich das noch?“ Ist das eine medizinische, eine ethische oder eine wirtschaftliche Frage? Schwierige Frage!
Mal sehen... Gehen Sie doch mal mit der Gitarre etwas mehr ins Licht. Nää – mehr nach rechts! Jaaa – jetzt etwas mehr zum Fenster. Aach! Das ist kein Drama. Das machen wir mit links. Aber wie es in Ihrer Bude aussieht. Wooaaah! Aaalter! Das ist ja ekelhaft! Das ist kein Gitarrenproblem – das ist ein Gammelproblem! Schämen Sie sich nicht?!?
Nachsatz: Natürlich ist das hier Satire! Übertrieben - überspannt und natürlich bekommen Kunden eine freundliche Antwort - egal wie doof die Frage war, auch wenn das oft nicht weiter hilft (s.o.). Ich gehe im Übrigen davon aus, dass die, von denen hier die Rede ist, ohnehin nie die Zeit und Geduld aufbrächten, einen so langen Artikel zu lesen.