Wie bekomme ich den Sound von...
Als ich mit 18 Jahren anfing, mit meiner ersten Band zu proben, war mein VOX AC30 Gitarren- Bass - und Gesangsanlage in einem. Das klang grausig, aber wir konnten irgendwie Krach machen. Brauchbares Instrumentarium war im Vergleich zur heutigen Zeit irre teuer, und so blieb den meisten über viele Jahre keine andere Wahl, als sich mit selbst gebastelten Boxen und hart erfeilschtem gebrauchten Gerät abzufinden. Wenn überhaupt ‘was rauskam, war es schon gut.
Inzwischen gibt das Internet darüber Auskunft, wie Jimi Hendrix welche Effekte vor seinen Verstärker hing, um den Song XY zu spielen. Manchem begabten Gitarristen wird eine annähernde Reproduktion zu hause auch gelingen, bevor seine Frau und / oder sein Vermieter ihm kündigt. Bevor es dazu kommt, rate ich jedoch zum kritischen "Behören" alter Tonträger. Was hört man denn auf den alten Guitarhero-Scheiben von Schlagzeug und Baß? Wer den Mix einer 60-er mit dem einer 90-er Platte vergleicht, muß zu dem Schluß gelangen, daß Bassisten und Schlagzeuger in der guten alten Zeit oft nur Wasserträger waren. Man hört im Hintergrund viel wildes Zeug, aber es ist kaum zu erkennen, was die Rhythmusgruppe tut. Bassisten und Schlagzeuger waren einfach nicht so wichtig, aber Sie hatten auch nicht das Equipment von heute. Was war denn das Standardbesteck eines Schlagzeugers 1968? Vielleicht ein Ludwig Schlagzeug mit Naturfellen, 18" Bassdrum zwei Tom´s, ein Becken? Und der Bassist? Fender Prezi, geschliffene Saiten, 150 Watt Röhre? Die Gitarren dagegen wurden mit Schallwänden verstärkt, für deren Gebrauch man heute in jedem Probebunker Hausverbot bekäme. So haben sich im Laufe der Jahre bei manchen Gitarristen Soundvorstellungen festgesetzt, die nur mit aus heutiger Sicht indiskutablen Mischungsverhältnissen zu realisieren sind.
Ich habe Achtung vor den Musikern, die sich die Mühe machen, so lange zu üben, zu tüfteln und zu probieren, bis sie den Ton ihres Idols haben. Wer aber den Sound eines Musikers kopieren will, muß den Sound der ganzen Band kopieren. Aber dafür muß man erst mal die devoten Mitmusiker finden! Und da liegt das Problem.
Seit 20 Jahren findet im Bereich der Pop- und Rockmusik instrumentale Hochrüstung statt. Die Suche nach dem Sound von Großmeister XY läßt Proberäume durch die Menge hochamtlichen Equipments bersten. An manchem Beckenkoffer kann man sich heutzutage problemlos einen Leistenbruch zuziehen, den Transport vieler Bassanlagen darf man aus orthopädischer Sicht fast als grobe Körperverletzung bezeichnen. Zweifellos ist gutes "Besteck" die Voraussetzung für erfolgreiche musikalische Arbeit, aber gut bedeutet in der Band vor allem angemessen. Eine Snare, die unheimlich knallt, eine Bassanlage, die tierisch drückt, ein Gitarrenton, der den Raum beben läßt, mag für sich gespielt eine Freude für den Besitzer sein, der Band angemessen sind sie meist nicht. Andersherum klingen Instrumente oder Verstärkereinstellungen, die sich gut und störungsfrei in das Bandgefüge einpassen, für sich alleine oft gar nicht toll. Mancheiner wird schon frustriert festgestellt haben, daß mühselig alleine ausgetüftelte Verstärker - und Effektgeräteeinstellungen völlig für die Katz waren, als sich die Bandkollegen respektlos über den neu kreierten Ton legten. Erstaunlicherweise führen solche Erlebnisse nur selten zu der Erkenntnis, das der Klang eines Instruments maßgeblich vom Frequenz - Arrangement der Band geformt wird. Oft wird die Schuld dem Gerät zugeschrieben. Das nächste Teil wird beim Kauf wieder danach bewertet, wie "geil" es alleine gespielt klingt und mit viel Glück brät es sich auch besser durch als das alte, was aber nichts anderes bedeutet, als das jetzt ein anderer in der Band den schwarzen Peter hat. Die Frage: "Wie bekomme ich den Ton von...." darf sich ein Musiker stellen, der als Solist in einem Orchester angestellt ist. In einer Rock- oder Popband muß man schon den Plural verwenden, wenn man wirklich eine Antwort erwartet.
Ich bezweifele jedoch, daß das Internet dazu Auskunft gibt.