Früher war alles besser!
Es ist noch keine fünf Jahre her, da war das Austauschen einer Drei-Punkt-Verschraubung durch eine Vier-Punkt-Platte bei 70-er Jahre Strats Alltag und kam bald jede Woche vor. Die Halsbefestigungen aus Fenders CBS Zeit hielten nicht und die Hälse drehten sich ständig in den allgemein viel zu großen Halsfräsungen aus der Achse. Neulich schlug ich eine "Fachzeitschrift" auf und las darin einen Test der neuen Ritchie Blackmore Strat ...mit Drei-Punkt-Befestigung! Michael Dommers, der Mann, dessen Zeilen von weiten Teilen der Musikerszene wie die Bibel gelesen werden, stellte erstaunt fest, was seit gut 20 Jahren bekannt sein sollte: Der Hals stand schief!
Es ist doch eigenartig: Da fahren die Musiker mit geregelten Katalysatoren, heizbaren Außenspiegeln und selbstlenkender Hinterachse durch die Gegend und wenn sie den Kofferraum mit dem Infrarot Code Schlüssel öffnen, liegt da ‘ne ranzige 72-er XY drin, die angeblich das Geilste auf der Welt ist.... "Die ist halt vintage", heißt es dann. Ja aber..., sorry, was bedeutet denn vintage? Wenn ich das Lexikon bemühe, finde ich darin die Übersetzung ‘hervorragender Jahrgang’! Also bitte, bei allem Respekt - die CBS Zeiten der Firma Fender, das läßt sich selbst in Fender Büchern nachlesen, gehören mit Sicherheit nicht zu den ruhmreichen Jahren ihrer Firmenhistorie. Des weiteren darf man auch mal darüber sinnen, warum ein Konzept, das ursprünglich als Volkswagen , also als schnell und billig zu produzierendes Instrument erdacht war, warum ausgerechnet dieses Ford T Modell des Gitarrenbaus im Rückblick nur aus hervorragenden Jahrgängen bestanden haben soll!
Jemand sagte mir mal: "Die haben halt besseres Holz verwandt als heute." Eine "neue", feine Zederndecke besitzt 250 - 300 Jahresringe. Ein schlagreifer Ahorn ist mindestens 100 Jahre alt. Warum die letzten 40 Jahresringe schlecht sein sollen, kann ich mir zwar anhand von Umweltverschmutzung o.ä. herbeifabulieren, aber wer kann denn sagen, ob das Stück "neues Holz", was man da z.B. als Hals in der Hand hält nicht zur Zeit des Burenkriegs gewachsen ist?
Es bleibt also die Frage: Was macht ein altes Instrument automatisch gut? Da ist vielleicht die Ehrfurcht vor dem, der es erbaute und die Jahre, die es auf dem Buckel hat. Ich kann dieses Gefühl teilen und ich gehe sehr respektvoll mit alten Instrumenten um, aber ihre Geschichte hat erst mal nichts mit ihrer praktischen Nutzbarkeit oder gar ihrem Ton zu tun.
Also - was macht das alte Instrument gut? Vielleicht, daß es viel gespielt wurde? Vielleicht. Wer einem Kind eine teure Holzflöte zum Spielen überlassen hat, weiß daß das Instrument danach kaputt ist. Verblasen! Es kommt nicht nur darauf an daß, sondern vor allem von wem das Instrument viel gespielt wurde. Und das sieht man ihm nun mal nicht an. Sicherlich gibt es immer wieder hervorragend klingende alte Instrumente, aber die sind wirklich selten und haben nichts mit bestimmten Jahrgängen zu tun. Warum die anderen, also die mittelmäßigen bis schlechten Instrumente alter Jahrgänge die selben Kurse erzielen, läßt sich nur so erklären: Da trifft ein zahlungswilliger, nostalgisch verklärter Kunde auf kaufmännische, und nicht selten auch kriminelle Energie.
Ich hatte kürzlich einen 68-er Jazz Bass zur Begutachtung. Das gute Stück sollte 3400 Mark kosten. "Sonderpreis - der Body war erst kürzlich von Fa. Fender, aber leider im falschen Farbton refinished worden," hieß es. Um es kurz zu machen: Weder der Body, noch der Lack darauf, noch nicht mal die Pickups waren von Fender; einzig der Hals war von 68. Er war fast irreparabel verzogen. Noch ‘ne Geschichte...Kommt ein Kunde mit einer vintage Gibson SG. Refinished. Sonderpreis 1400 Mark. Von Gibson war nur die Kopfplatte... Noch eine? Les Paul, 1952. Kaufpreis DM 11.000-. Der Hals und das Griffbrett waren völlig verpfuscht, die Reparaturarbeiten dilettantisch, die Pickups im nachhinein ausgetauscht. Es entstanden Reparaturkosten über dem Preis einer neuen Les Paul, die Gerichtsverfahren gegen den Händler dauern an...
Dies sind keine Ausnahmen. Preise entstehen durch Angebot und Nachfrage. So lange Musiker ihr schwer erarbeitetes Geld zu oftmals dubiosen Kaufleuten tragen, um eine Jahreszahl zu erstehen, werden die Preise dieser Sammlerobjekte wohl weiter steigen. Auf diesem Hintergrund macht die Anschaffung eines vintage Instruments auch wirklich Sinn: Als Kapitalanlage - wenn es denn wirklich eine ist. Realistischen Schätzungen zufolge sind 60 - 70% der angebotenen alten Instrumente nämlich Fälschungen.
Ich sähe es natürlich lieber, der Musiker würde sich für das gleiche Geld ein Instrument nach seinen Wünschen von mir oder einem meiner Berufskollegen bauen lassen. Ohne garantierte Wertsteigerung, aber garantiert customized und garantiert echt.