Alles im Lack!
Als ich vor vielen Jahren auf der Frankfurter Musikmesse den alten Meister der Firma Hoyer, Walter Kraal nach dem Geheimnis seiner schönen Instrumentenoberflächen fragte, sah er mich nur an und sagte: "Mußt halt schön lackieren". Um die Kunst des Lackierens wurde immer schon ein großes Brimborium gemacht und mancher Instrumentenbauer nahm seine speziellen Mixturen und Erkenntnisse mit ins Grab. Auf die Gefahr hin, ein respektloser Lümmel geschimpft zu werden, möchte ich behaupten, daß dieser Umstand der Entwicklung des Gitarrenbaus keinen nennenswerten Schaden zugefügt hat.
Der Sinn eines Holzüberzugs liegt ursprünglich darin, die Schönheit der Holzmaserung hervorzuheben, und die Oberfläche vor Feuchtigkeit und Schmutz zu schützen.
Dazu stehen uns eine Vielzahl unterschiedlicher Lacke mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften zur Verfügung:
- Schellacke bestehen in ihrer Basis aus den zerriebenen Panzern einer Laus. Durch Beigabe von Harzen, Wachsen und Alkohol als Lösemittel entsteht ein goldgelber Lack, der hellen Hölzern eine einzigartige Farbe verleiht. Schellack besitzt einen unnachahmbaren Charme. Jedoch ist er außergewöhnlich empfindlich. Überdies ist eine Schellackpolitur sehr sehr zeit - und damit kostenaufwendig. Es gibt auch nur noch wenige Meister, die sich auf diese alte Kunst der Oberflächenveredelung verstehen.
- Nitrocellulose Lacke (Nitro, NC) lösten in den 50er Jahren die bis dahin gebräuchlichen Schellacke ab. Sie waren weniger empfindlich gegen Schweiß und Alkohol und eigneten sich von daher besser für Gebrauchsinstrumente. Im Prinzip waren sie ihrem Vorgänger noch recht ähnlich. Nitrocellulose wird durch Butanol, Äthanol, Tulol, o.ä. in Lösung gebracht und mit Weichmachern versetzt. Nach dem Aufspritzen verflüchtigen sich die Lösemittel und die Feststoffe bleiben auf dem Holz. Sie sind jederzeit mit den gleichen Mitteln lösbar, was den Vorteil birgt, daß man schadhafte Stellen nahtlos und unsichtbar ausbessern kann. NC - Lacke sind klar, sehr brillant im Glanz aber bei der Verarbeitung äußerst giftig und, verglichen mit modernen Lacken, empfindlich.
- Desmodur (DD) und Polyurethan (PU) Lacke benötigen einen Härter, um abzubinden. Nach diesem chemischen Vorgang sind sie nicht mehr lösbar. Dieser Umstand, und ihre guten technischen Eigenschaften, nämlich Abriebfestigkeit, Härte und vor allem Dauerelastizizät machen sie zum idealen Finish für den modernen Gitarrenbau.
- Polyester Lackierungen, oder besser Beschichtungen, kamen Mitte 60 mit der Massenfertigung von Fabrikinstrumenten auf. Während man bei allen vorgenannten Lacken zum Teil Tage in der Spritzkabine verbringt, um hauchdünn Schicht auf Schicht zu lackieren, kann man Polyesterharz in einem Spritzgang millimeterdick auf das Instrument rotzen. Nachdem der Härter seine Arbeit getan hat, wird geschliffen und poliert. Fertig. Polyester wird sehr hart und mit den Jahren spröde. Auf Grund der meist hohen Schichtdicke platzt er direkt in Schollen ab, wenn er einen Stoß bekommt.
Es gibt gute Boote aus Polyester. Auf Instrumenten, vor allem auf schwingenden Decken würde ich dieses Material aufgrund seiner Härte und Schichtdicke immer ablehnen, und eine Beschichtung mit Polyesterharz auch nicht als Lackierung bezeichnen.
Natürlich hat der Lack Einfluss auf den Klang eines Instruments. Bei akustischen Instrumenten soll der Lacküberzug dünn, leicht und elastisch sein, so daß er das Holz möglichst wenig im Schwingen behindert. Aber irgendwas muß halt drauf, und das verändert den Ton! Ich glaube jedoch nicht daran, daß ein bestimmter Lack der Tonentwicklung grundsätzlich förderlich, und einem anderen aus diesem Grund überlegen ist. Der Gitarrenbau ist fast so vielfältig, wie die Hölzer und Geschmäcker. Es kann nicht einen Lack geben, der trotz seiner statischen Eigenschaften allen denkbar verschiedenen Konstruktionen und Hölzern immer nur das Beste entlockt. Das ist Unsinn! Hier gilt einfach nur: Weniger ist mehr. Das verwendete Material ist in erster Linie von ästhetischer Bedeutung. Ich will dies keinesfalls als unwichtige Nebensache abtun. Man sollte da nur mit seinen Sinnen nicht durcheinander kommen. Bei manchem Instrumentenliebhaber hört das Auge und der Geist Unterschiede, die selbst ein geschultes Ohr kaum wahrnehmen kann. Ich höre keinen Unterschied zwischen einem NC - und einem PU - Lack gleicher Schichtdicke.
Bei Solid Body Instrumenten gab es mal einen, maßgeblich durch Fachzeitschriften hervorgerufenen Trend, den Body vom "Polyesterpanzer" zu befreien, damit er "frei schwingen" kann. Ich kann dem soweit zustimmen, als daß ich Polyester nicht leiden kann und seine technischen Eigenschaften als Überzug für Holz als ungeeignet erachte. Solid Body Instrumente sind jedoch nicht dafür erfunden worden, um frei zu schwingen. Wäre es anders, müßte man Leute wie Steinberger, oder Parker für Dummköpfe halten, was sie gewiß nicht sind. Sicher verändert sich der Ton des Instruments, wenn man ein Brett vom Polyester befreit. Ob es sich zum Guten verändert, weiß man jedoch erst danach.