Keine Geschäfte mit armen Schweinen!

W. Kraushaar 09/2005

Ich bin ein kleiner Gitarrenbauer. Kleine Gitarrenbauer bauen kleine Gitarren. Mal eine - und dann wieder eine - vielleicht auch mal zwei zusammen. Aber nie 100 auf einmal. Solche Gitarrenbauer gibt es meines Wissens in Deutschland auch gar nicht. Dennoch bin ich zum Erfolg verdammt. Ich muss große Mengen bauen, damit ich noch Material für die eine, bestellte Gitarre bekomme. Das ist nämlich gar nicht so einfach.

Die Lieferanten tun es der FDP und den Bänkern gleich: Sie haben eine Aversion gegen kleine Leute mit kleinem Geld. Dabei gibt es drei unterschiedliche Ausprägungen:

Der Hardwarelieferant bei dem ich seit 16 Jahren bestelle, teilte mir kürzlich mit, es gäbe ab jetzt Mindestbestellmengen. Die kommende Bestellung, ein Satz Mechaniken für die Gitarre eines Berufsmusikers, wurde kommentarlos gar nicht mehr ausgeführt. Der Gitarrist bekundete sein Verständnis, ging gesenkten Hauptes nach Hause und spielte das Konzert auf einer Blockflöte. Einige Tage später folgte der neue Katalog in dem der Hannoveraner Lieferant in seinem köstlich trockenen Wortwitz, eine Notentwicklung in Ermangelung eigenen Dialektes, seine Kunden auf eine kleine Einschränkung seines Vertriebswillens aufmerksam machen wollte: "Aufgemerkt! Mindestbestellwert 40 Euro. Darunter läuft nix!" Na? Wird es dem Kunden da nicht warm ums Herz?

Leider hilft es nichts, wenn man seit 16 Jahren mit Abbuchungsvollmachten vor seinem Lieferanten steht, der in diesen Jahren bereits Summen in Höhe eines Jahresgehalts abgebucht hat.

"Was willste Du? Eine Pizza Margherita fur funfe Euro? Jaa, stehte auffe Karte, aber mache wir nist den Teller fur dreckis, du arme Sweine - un jetz verpisse diss!"

Man kann durchaus in dieser Republik verhungern, wenn man nur kleine Scheine in der Tasche hat! Die höfliche Herablassung, mit der mich diese Firma bedenkt, erinnert mich sehr an den Umgang mit meinem Geldinstitut, wobei ich nicht geglaubt habe, dass dieses unangenehme Miteinander noch zu toppen sei. Zwar leidet man auch in der Bank an meiner Armut, aber man beschäftigt sich notgedrungen mit mir und zum Schluss nimmt man mein Geld - wenn auch mit Anstrengung und Widerwillen. So weit schafft es der besagte Lieferant schon nicht mehr!

Die zweite Ausprägung sind die immer beschäftigten Jasager. Hier ruft man an, eine höfliche Stimme nimmt die Bestellung auf und dann ......

Passiert nichts!

Mein Plektrumlieferant hat Lieferrückstände von mehr, als 12 Monaten. Das glaubt mir kein Kunde mehr! "Jaa!" denken die sich da, "der ist bei seinen Lieferanten nicht beliebt, weil er seine Rechnungen nicht bezahlt...!" Mit Nichten und allen Anverwandten! Ich stehe mit geöffnetem Portemonnaie vor ihnen, aber vielleicht sind 4 Gross Plektren eine Menge, für die man die Maschinen erst gar nicht anwirft. Das bestellte Tremolo für einen Bass erhielt ich 1,5 Jahre nach der Bestellung. Ich teilte der Hersteller mit, ich sei überaus dankbar für seine Belieferung, jedoch sei das Instrument, für das die Hardware gedacht sei, zwischenzeitlich kompostiert.

Richtiggehend kriminalistisch wird es, wenn man dringend einen Hersteller erreichen muss... Mein Lieferant für Perlmutt und Zierränder ist jedoch über Wochen telefonisch nicht zu erreichen - will nicht erreicht werden! Ich weiß aber keinen anderen, also - was soll ich machen? Der Tipp eines Berufskollegen war Gold wert: Seine Schwägerin verkauft Geigenzubehör und sie geht an das Telefon. Dort rief ich also an und klagte ihr mein Leid in allen Farben. Der Marsch, den sie ihrem Schwager daraufhin auf der Familienleitung geblasen hat, ergab ein erfolgreiches Telefonat mit anschließender Belieferung. Danke!

Ja, es ist gar nicht leicht, sein Geld in kleiner Münze unter die Leute zu bringen. Vielleicht sollte ich das Material im Voraus bezahlen, um die Lieferanten zu motivieren - und damit mein Konto nicht überläuft?! Vielleicht sollte ich ihnen ein Vertriebskonzept entwerfen, mit dem man auch Kleinmengen durch Zuschläge lukrativ versenden kann? Aber zum einen würde ich mir das auch nur von einem der vielen erfolgreichen Versandgeschäfte abgucken und zum anderen käme dabei vielleicht mein eigener Beruf etwas zu kurz...

Für meine fleißigen Lieferanten wäre dies natürlich das Einfachste: Ich bestelle von allem was ich brauche, die 4-fache Menge. Das entspricht auch den Anforderungen an den modernen Konsumenten: Als Single leben - für eine Familie fressen!

Mein Problem ist nur, dass ich an eine Gitarre keine 4 Satz Mechaniken schrauben kann. Den Rest müsste ich irgendwie verkloppen - vielleicht an Sie?

"Ja nee! Einzeln kann ich die nicht abgeben" Nehmen sie 3 Satz und sie bekommen 10 Plektren gratis....das heißt, wenn ich sie geliefert bekommen habe!"