Achtung, Post!

W. Kraushaar 02/2005

Finden Sie Postwitze auch blöd? Alle Welt macht sich über die Telekom und die Post lustig. Ich kann daran nichts witziges finden. Im Gegenteil!

Da kam vor Zeiten ein Paket bei mir hinein geflattert. Mit einem akkuraten Aufkleber und zusätzlicher Adress- und Absenderangabe. „An eine Frau Bühnert in Schrobenhausen“ las ich die großen Lettern.
„Nää“ sage ich dem polnischen DHLer „das sieht ein Blinder, dass da was nicht stimmt“ „Doooch, rrrichtig“ entgegnet das osteuropäische Wunder an Motivation und zeigt auf ein zerknülltes Etwas, was in etwa die Form und Struktur eines in der Tasche gewaschenen Papiertaschentuchs aufweist. Mit Mühe erkennt man noch Fragmente meines Namens und meiner Adresse. Ganz offensichtlich hat sich der Aufkleber eines an mich adressierten Pakets abgelöst und ist zerknautscht und zerrissen an diesem vorbildlich beschrifteten Paket hängen geblieben. Daraufhin haben alle in Folge mit dieser Arbeit betrauten Personen, die Männerhand – großen Lettern stählern ignorierend, das Paket an mich weitergeleitet. An mich, dessen Adresse nur mit Spürsinn und Lupe innerhalb der anheftenden klebrigen Tamponage zu entziffern war. Da haben sie aber ganze Arbeit geleistet, die schwulen Gottschalks! Und während der geistlose Staffellauf vorerst eine schwachsinnige Etappenpause in meinem Haushalt einlegte, verschwand in den Weiten der DHL Lager eine wertvolle Gitarre in einem Karton, der keinerlei Aufkleber mehr besaß.
Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass Schalterbeamte den Barcode immer auf den Adresszettel kleben? Das ist so, als wenn man die Geheimzahl auf die Cashkarte schreibt. Mit dem Aufkleber von bekannt schlechter Haftfähigkeit löst sich der Barcode und damit jede Möglichkeit zur Identifizierung. Clever!

Die fast noch größere Tragödie entsteht bei dem Versuch, in solchen Konzernen einen verantwortlichen Vorgesetzten zu finden. In der Reklamationsabteilung hat man sich die Geschäftspolitik von Sozialschmarotzern und flüchtigen Kleinkriminellen abgeschaut: Wer keinen Briefkasten hat, bekommt auch keine unangenehme Post. So einfach ist das! Wo es keine Annahmestelle für Beschwerden gibt, gibt es letztlich nur noch zufriedene Kunden - naja - auf jeden Fall gibt es keine Beschwerden. Tatsächlich ist es wesentlich leichter, eine Telefonkonferenz mit Herrgott und Teufel zu schalten, als die Telefonnummer vom Leiter des örtlichen Paketwesens zu bekommen. Nachdem ich mich stundenlang durch die DHL Homepage geklickt hatte, bei der zum Schluss das Kontaktformular wegen Fehler 324 nicht übertragen werden konnte, gab ich entnervt auf. Andere Adressen oder Telefonnummern die zur Geschäftsleitung führen, gibt es nicht. Null. Narda!
Das falsche Paket stand daraufhin ein Jahr in meinem Flur. Die Gitarre an mich blieb auf immer verschollen.
Durch eine Indiskretion des Briefzustellers erhielt ich dann jedoch eine Telefonnummer, die mir die Tür zur Etage der Sitzenden aufstieß. Diese Nummer war so geheim, dass der Postbeamte ganz verdattert reagierte, statt erst seine Zuständigkeit zu überprüfen. So verließ wenigstens das falsche Paket mein Haus. Vermutlich kam es in einen Schredder, da die ganze Geschichte ja bereits ein Jahr her war....

Wenn ich diesen Verein sehe, frage ich mich oft...
Kann Dummheit kollektiv und vor allem – kann sie vorsätzlich sein? Ich fürchte ja. Ich glaube, dass viele Menschen, ich will ihnen nicht unterstellen, dass die es gar nicht könnten, mit Dienstbeginn das Denken absichtlich einstellen.
Vor einiger Zeit hatte ich drei identische Polsterumschläge in DIN A 5 zu versenden. Nun ist DIN A 5 eine Größe, mit der wir seit der Grundschule vertraut sind. Außerdem denke ich, dass die Aufgabenstellung eines Schalterbeamten durchaus übersichtlich ist. Dennoch holte der Postler eine gelbe Plastikschablone hervor und schob den DIN Umschlag durch den Schlitz um sich seiner Größe zu versichern. Dies beobachtete ich noch mit Erstaunen, was in dem Moment in Entsetzen umschlug, als er den Zweiten und Dritten IDENTISCHEN Umschlag auch noch durch seinen Doofenschlitz drückte. Hilfe! Das ist professionell dargestellte Denkabstinenz, oder?
Neulich fragte ich eine weibliche Angestellte, ob mein Brief ausreichend frankiert sei. Nach der Prüfung versicherte sie mir, er sei sogar mit 23 Cent überbezahlt. „Können sie dann bitte passend herausgeben?“ war meine schelmische Frage. In ihre Erklärung, warum dies nicht möglich sei, lachte ich: „Es war nur ein Scherz!“. Darauf entgegnete sie, ohne ihren Ton zu verändern oder auch nur aufzusehen :“Kein Problem.“ ..............................................
Kein Problem!?!
Doch - für mich schon! So viel Ignoranz und Dummheit tut mir nämlich weh!
"Macht nichts, dass sie scherzen - es ist eh nicht zu mir vorgedrungen...." Das hätte sie sagen können, wenn ihr Großhirn in Gebrauch gewesen wäre, aber es war aus. Abgeschaltet. Und sie verrichtete derweil ihren Job mit der Leidenschaft einer Wachkoma-Patientin.
So wie viele ihrer Kollegen, die immer wieder mit Paketen vor meiner Tür stehen, bei denen nur ein Bruchteil der Adresse mit meiner übereinstimmt - wenn überhaupt. "Schreinerei Müller - Ahornstraße" - klingt ja fast, als wäre es für mich ...... Aua! Aua!

Inkontinenz, Mundfäule, eingewachsene Fußnägel oder derlei Sonderlichkeiten dürfen meine volle Toleranz beanspruchen. Bei erworbenem Schwachsinn reagiere ich jedoch heftig und ungehalten. Und bei diesen Flatlinern bin ich versucht, den Stecker zu ziehen....

Ich will dennoch und schlussendlich lieber glauben, dass diese zerebrale Lähmung berufsbedingt temporär, und nicht angeboren ist. Damit bleibt zwar die Frage ungeklärt, ob wir unsere Post nicht künftig wieder besser einem Schwarm kackblöder Tauben anvertrauen, aber es hält den Respekt vor der eigenen Spezies einigermaßen aufrecht.