Das Ende der Lehre
Im vergangenen Jahr wurden in Mittenwald noch zwei Lehrlinge aus Gitarrenbaubetrieben geprüft. Einer kam aus der Werkstatt meines Kollegen Christian Stoll, die zweite aus meinem Betrieb.Das war's jetzt. Christian bildet nicht mehr aus und ich auch nicht.
Neben dem unangenehmen Umgang von Innung und Berufsschule mit den letzten engagierten Ausbildungs Betrieben gibt es dafür einen zweiten, einen finalen Grund: Der Bundesinnungsverband gibt eine „Empfehlung zur Höhe der Ausbildungsvergütung“ heraus und diese ist, so deutsches Arbeitsgesetz, tatsächlich ein Diktat.
Nun sollte man annehmen, dass ein Berufsverband die Interessen der Gitarrenbauer im Lande vertritt, aber dies ist ein Irrtum, wie sich gleich herausstellen wird.;
Zur Höhe der „angemessenen“ Ausbildungsvergütung empfiehlt unser Innungsverband für das Land NRW keine Summe in Euro. Er empfiehlt, man möge sich an die Empfehlungen bei der Tischlerinnung halten.
Gitarrenbau = Tischlerei?
Da stellt sich natürlich die dringende Frage, welche wirtschaftlichen oder beruflichen Ähnlichkeiten unser Berufsverband zwischen den Tischlern und den Gitarrenbauern sieht?
Eine Tischlerei hat im statistischen Durchschnitt 6,5 Angestellte, einen Maschinenpark von € 600.000 und einen Jahresumsatz von ca. € 500.000.
In einem normalen Gitarrenbaubetrieb arbeitet in der Regel ein Meister allein in 1-2 Räumen, verkauft vielleicht 6-8 Gitarren ein paar Reparaturen und ein paar Handelswaren.
Damit schafft er, wenn er fleißig ist, einen Jahresumsatz von € 50.000 – Abzüglich aller Kosten und Steuern bleiben ihm dann 15.000 Euro im Jahr – wenn er geschickt ist.
Wenn man mal betrachtet, mit welchen technischen Geräten und Beschlägen moderne Schreinereien heute arbeiten, ist eine Gleichstellung mit dem traditionellen Gitarrenbauer aus handwerklich-technischer Sicht – man kann es leider nicht netter ausdrücken – totaler Schwachsinn!
War es dann vielleicht das Material Holz, was man zufällig noch in beiden Betrieben findet? Da hätte der Innungsverband dann doch besser den Beruf des Zimmermanns, oder den des Försters für seine Empfehlung herangezogen. Da findet man wenigstens noch Fichten und massives Holz!
In der Tischlerei kann der Lehrling vom ersten Tag hinter der Maschine Material annehmen, Gipsplatten schleppen und als Helfer arbeiten. Ein Gewinn für den Betrieb vom ersten Tag.
Beim Gitarrenbauer muss der Lehrling erst mal ein halbes Jahr üben, bis er für einen Kunden seinen ersten Sattel machen kann. Bis er das verdient, was er kostet, ist er schon ein Jahr im Betrieb. Wenn er so weit ist, dass er selbständig arbeiten kann, kommt die Vorbereitung auf die Gesellenprüfung.
Ungeachtet der Tatsache, dass der Gitarrenbau und die Tischlerei weder handwerklich, wirtschaftlich, noch in der Ausbildung irgendwelche Ähnlichkeit besitzen, setzt unser „Fachverband“ in seinen „Empfehlungen“ die Vergütungen gleich. Wir sprechen hier in NRW von 500 – 800 Euro + Versicherung + Steuer + 5 Wochen Berufsschule p.A. + Urlaub + Krankheit. Da bekommt der Lehrling schnell mehr Geld als der Meister – wenn das Geld da wäre.
Das ist ganz und gar nicht „angemessen“, wie es der Wortlaut im Gesetz über die Höhe der Ausbildungsvergütung vorgibt. Es ist, im Gegenteil, die verordnete Abschaffung der betrieblichen Ausbildung. Verordnet von unserem eigenen Berufsverband.
Wenn man den gesetzlich bestellten Lenkern unserer Zunft nicht unterstellen will, sie hätten das alles nicht verstanden und wären inzwischen so weit von Vernunft und Realität entfernt, dass man ihnen Suppenlöffel führen müsste, damit sie sich damit kein Auge ausstechen … was mag dann der Grund für die die suizidale Anordnung sein?
Wie wäre es mit dieser Antwort?
Der Bundesinnungsverband ist gar nicht mein Berufsverband. Er vertritt seine eigenen Interessen. Ich habe nur zufällig den gleichen Beruf. Unser Berufsbildungsgesetz und unser Arbeitsgesetz hat dem Innungsverband die Gewalt gegeben, über den Rest aller Handwerker in Deutschland zu verfügen, ob sie nun Mitglied sind, oder nicht. Er hat auch keineswegs Freude an meinen Ausbildungsbemühungen. Im Gegenteil! Er betreibt zwei staatlich finanzierte und geförderte Schulen in der die „Privaten“, wie die Azubis aus der beruflichen Ausbildung z.B. in Sachsen genannt werden, nur Probleme machen.
Das beginnt schon mit der Unterbringung, geht weiter im Unterricht und findet seinen Höhepunkt bei den Prüfungen, die in Gutsherrenart nach den Steckenpferden der Prüfer abgehalten und beurteilt werden.
Der Berufsverband, der zufällig den gleichen Beruf vertritt wie ich, aber nicht mich, hat so für sich selbst eine sehr effektive Politik betrieben: Nach meinem Wissen beträgt die Zahl der betrieblichen Azubis im Lande inzwischen Null.
Jetzt könnte man zum Ende der Geschichte noch meinen, wenn ein großer Berufsverband ein paar Spinnern den Weg versperrt, ist es doch wenigstens zum Nutzen des Großen und Ganzen.
Leider nicht. Die Mitglieder der Bundesinnung der Zupfinstrumentenmacher passen an einen Biertisch.
Was folgt jetzt daraus?
Der Gesetzgeber hat ganz bewusst für die Höhe der Ausbildungsvergütung den schwammigen Begriff verwendet, sie müsse „angemessen“ sein. Auf die Weise sollte ein winn/winn entstehen, in dem der Auszubildende, aber auch der ausbildende Betrieb noch einen Nutzen zieht. Das ist so nicht mehr gegeben.
Die klassische Lehre mit Gesellenprüfung ist damit für meinen Beruf gestorben.
Was kann man sonst tun?
Da unser Arbeitsgesetz Praktika über einem Jahr nicht billigt, bleiben für den, der es wissen will, nur noch Kurse übrig, in denen man den Gitarrenbau erlernen kann.
Diese Idee hatte ich schon vor Zeiten und ersann mit der HWK Düsseldorf und der Firma Fender einen Kursus, den der Innungsverband und der DGB erfolgreich zu Fall gebracht haben.
Also bleibt uns nur noch, private Ausbildungskurse statt einer Lehre anzubieten, und uns damit außerhalb von Innung und Arbeitsgesetz zu bewegen.
Mit Interesse und Freude wird unser Angebot RENT A BENCH angenommen!
Wer noch wissen möchte, wer dieser „Innungsverband“ ist:
Bundesinnungsmeister
Siegfried Thielemann
Bismarckstr. 17-19
02631-87110
info@piano-thielemann.de