Happy Birthday, Werkstatt für Gitarrenbau
20 Jahre Gitarrenbau im Ahornweg
Gitarrenbau im Ahornweg – das klingt wie Autotuning am Nürburgring! Ahornweg – wenn das mal keine Adresse für mein Gewerbe ist? Ist es vielleicht sogar DIE Adresse? Hat der Ahornweg gar auf den Gitarrenbauer gewartet? An verschiedener Stelle mag man es fast glauben….
Ob ich über den Namen oder den Ort nachdenke, ich kann mir nichts Besseres denken, dabei hat der Standort eine bewegte und nicht durchweg glückliche Vergangenheit. Obwohl…
Als ich im November 1989 die alte Schreinerei im Ahornweg anmietete, fragte mich die greise Besitzerin mit brüchiger Stimme: “Herr Kraushaar, können sie das denn auch bezahlen?“Eine berechtigte Frage, wie mir viel, viel später aufging. Nicht der Miete wegen. Die, und die Räume wollte ich mir mit einem Schreiner teilen. Nein, die Werkstatt war eine Ruine!
Seit den 50er Jahren hatte man hier nur geproscht und geballert. Jede Leiste und jeden verrosteten Nagel hatte man zu inzwischen kompostierenden Bergen getürmt und das Haus inmitten dieser Gerümpelhalden total zerfallen lassen. Der Dachstuhl, die Fenster, die Installation, die Inneneinrichtung, ja selbst der Putz an den Wänden war nicht zu gebrauchen. Das einzige, was unbegrenzt vorlag, war Müll! Aber das Geld sollte kein Problem sein.
Bezahlen? Selbstbewusst nickte ich ab, ich hatte ja gerade eine Existenzgründungs- Darlehen erhalten und war auf dem Wege stolzer „Besitzer“ einer für mich unglaublichen Summe Geldes geworden. Eine Gitarrenbauwerkstatt und ein Geschäft sollte es werden: Der K-Gitarren & Bass Service! So bauten und sanierten wir wie im Rausch und ich kümmerte mich wenig um den kleinlichen Investitionsplan der Bank.
Blöd!
Zum Schluss war zwar neben der Gitarrenbauwerkstatt ein schönes Geschäft im Obergeschoss geschaffen worden. Es gab Licht und Fenster, Treppen und Türen, Heizung und Strom, Bodenbeläge und… aber es war kein Geld für Instrumente übrig. Ich hatte meinen ganzes Darlehen in ein gemietetes Gebäude versenkt!
Rückblickend weiß ich nicht, ob diese Dummheit nicht letztlich ein Segen war, denn es sollte sich herausstellen, dass an mir kein großer Kaufmann verloren gegangen ist.
Eine Wand hat wenigstens Bestand… 20 Jahre, wie wir jetzt wissen!
Aber wie ein Musikgeschäft gründen ohne Instrumente?
So schlossen sich mir zwei selbständige Kaufleute an, die meine Räume nach und nach mit Waren füllten.Neben den Bagatellen der Haussanierung war mir noch ein weiteres Detail der Existenzgründung aus den Augen geraten, oder besser: Ich hatte zeitweise darüber hinweg gesehen: Die Handwerkskammer forderte für selbständige Handwerker einen Meisterbrief. Das war Teil des Deals. Mist. Da war doch noch was?! Oh Mann! Jetzt die noch…
Das schöne Geld war ausgegeben und hing nun als Kredit wie ein Mühlstein um meinen Hals, der junge Betrieb lief schleppend und die Handwerkskammer drängte zur Meisterprüfung. Das bedeutete: Tags arbeiten, nachts lernen und zwischendurch die Bank beschwichtigen. Auf dem Höhepunkt war ich so entnervt, dass ich eine schlichte Frage schon mal mit einem fliegenden Hammer beantwortete. Vor der Prüfung lernte ich Tom Launhardt kennen. Er unterstützte mich sehr, wir hatten viel Spaß in Mittenwald und sind seit dem gute Freunde geblieben.
Der Glanzpunkt meiner glorreichen Existenzgründung war aber sicher der letzte Teil der Meisterprüfung: Buchhaltung, Wirtschaftslehre, Recht - Unter Handwerkern kurz „Teil Drei“ genannt.Mit kurzen spitzen Aufschreien markierte ich all die vielen Fallstricke, Gruben und fundamentalen Fehler, auf die hier explizit hingewiesen wurde, die ich aber in Verkehrung der Reihenfolge meiner Prüfungen als junger Gründer alle und ausnahmslos Länge mal Breite duchmessen hatte! Aha! Soo also hätte man das machen sollen…
Es folgten 7 Jahre, in denen der Gitarren & Bass Service zu der No.1 Adresse für junge Musiker aus dem Kreis heran wuchs. Das Team umschloss inzwischen neben meiner Gitarrenbau Werkstatt ein gut sortiertes Musikgeschäft, das alles anbot, was einen Top 40 Musiker interessiert, eine große PA-Abteilung und einen Verstärker Tuner. Wir bildeten im handwerklichen und kaufmännischen Bereich aus und hatten das Haus ständig voller Praktikanten und begeisterter Helfer.
Ich hatte während meiner Gründung kaum einen Fehler ausgelassen und nur durch Glück und ein immenses Maß an Beharrlichkeit und Entbehrung die ersten Jahre überstanden.
Im verflixten 7. Jahr trennte ich mich von den Kollegen. Ich hatte wieder Glück im Unglück, denn auf mich allein gestellt gedieh mein kleines Geschäft besser als je zuvor.
Ich konzentrierte mich immer mehr auf den Gitarrenbau und überließ das Dealen den Kaufleuten.
War der Ahornweg bis dahin eher eine Rock’n Roll Höhle gewesen, so blühte er jetzt zur Kunst-Oase auf. Ich veranstaltete regelmäßig Haus Konzerte und Workshops und entwickelte neue Instrumente. Höhepunkt war die Ausstellung „4000 Stunden Gitarrenbau“ zu der ich knapp 100 von uns gebaute Kundeninstrumente, noch einmal zur Verfügung gestellt, zeigen konnte. Es war eine Ehrfurcht gebietende Ansammlung. Selbst für mich!
Inzwischen sind schon wieder 10 Jahre verstrichen. Was haben wir gemacht?
Gitarren, Gitarren, Gitarren… Ausgebildet. Beschäftigt. Und noch?
Feuer! Feuer! Es hat gebrannt.
Wie durch einen großen Engel beschützt, hat das Feuer im offenen Dachstuhl haargenau vor der Werkstatt halt gemacht. Es hat nicht mal ein Kabel verbrannt, was zur Werkstatt gehörte. Der Feuerteufel ist offenbar Elektriker und Gitarrist! Als die Freiwillige Feuerwehr mit dem Zerschlagen dessen fertig war, was das Feuer verschont hatte, lag die Werkstatt wie eine Insel inmitten eines Trümmerfelds! Das halbe Dach weg, Schutt und Scherben und alles unter Wasser. Löschwasser gluckerte Kubikmeterweise unter dem hohlen Holzboden der Werkstatt her und ergoss sich dem ungeliebten Schreiner im Erdgeschoss in die Maschinen.
In meiner Werkstatt war die Uhr von der Wand gefallen und die Buchhaltung der letzten 15 Jahre war verbrannt.
Es gibt jemanden dort oben, der Gitarrenbauer mag!
Oder vielleicht den Gitarrenbauer vom Ahornweg?
Ich war anfangs überrascht, als die Domain www.der-gitarrenbauer.de noch frei war. Da musste doch schon mal jemand drauf gekommen sein?! Aber dann dachte ich ohne Überheblichkeit: Vielleicht ist es ja ganz richtig? Nach 20 Jahren im Ahornweg bin ich ganz und gar der-gitarrenbauer geworden, der ich vor 25 Jahren werden wollte.
Dabei hat der Ahornweg noch viel mehr Menschen an ihre Bestimmung gebracht.
Etliche Gitarrenbauer haben hier ihre Anfänge in Lehre und Praktikum gemacht. Viele arbeiten heute selbständig oder bei großen Firmen. Einige Existenzen nahmen hier ihren Start. Ein Musikalienhändler hat hier gelernt. Ungezählte Praktikanten haben hier wichtige Eindrücke und Erfahrungen für ihr Leben gewonnen.
Wir haben auch Gitarren gebaut. Wie viele? Hunderte! Ehrlich, ich weiß es nicht. Ich habe das unverschämte Glück, die verrücktesten Spinnerein der Musiker zu einem Instrument werden zu lassen. Völlig durchgeknallte Ideen umzusetzen und damit noch Geld zu verdienen! Perlmutt Inlay als Huhn und Ei, als Planet und Ornament. Torkelnde Strichmännchen, beleuchtete Setzkästen, eingelegte Partituren, Hundepfoten, Bierdeckelstriche, Blitze, Sterne, Muttiherzen, poppende Pandas und was weiß ich… und das in allen Formen, Figuren, Lackierungen und auch mit Beleuchtung…
Ein Kosmos voller Kunst, Kitsch und vergnügtem Quatsch! Alles, was den Gitarrenbauer und das Kinderherz erfreut!
Jaa! Gitarren sind wunderbar. Gitarren sind meine Berufung. Aber sie sind nur Holz. Sie sind geronnener Fleiß. Dazwischen liegt sehr viel Leben mit Freunden, Kindern, Mitarbeitern, Lehrlingen und allmählich sogar der nachfolgenden Generation!
20 Jahre Gitarrenbau im Ahornweg sind 20 Jahre Hafen und Startrampe. Für mich und für Dutzende junger Menschen. Hier wurde nicht nur Holz bewegt. Von hier bewegten sich viele Menschen in ihre Zukunft.
Und wenn mir Fortuna weiter die Hand hält, liegen noch ein paar Jahre vor dem Gitarrenbauer aus dem Ahornweg. Es sieht ganz gut aus: Auch in diesem Jahr wird die Mannschaft wieder durch junges Blut aufgefrischt!