Sustain, Ansprache und Resonanz - was ist das?
Sustain, ein Wort, für das es meines Wissens keine deutsche Übersetzung gibt, bedeutet:
Dauer des ausklingenden Tons. Ein Instrument, dessen angespielte Saiten lange ausklingen hat also ein "langes Sustain". Die Dauer des ausklingenden Tons ist abhängig von der Elastizität, der Dichte und der Masse des am Instrument verwendeten Materials. Zur Veranschaulichung: Die hunderter E-Saite eines Basses wiegt ca. 50 Gramm. Zupfe ich sie an, schießt sie wie eine Bogensehne los, beschleunigt entgegen der Zupfrichtung, wird am Höhepunkt ihrer Schwingung gebremst und durch ihre Elastizität zurückgeschleudert. Nicht nur, daß die 50g 41,20 mal pro Sekunde hin und her geschleudert werden, auf dem Höhepunkt ihrer Schwingung zerren sie auch noch in Längsrichtung, also an Sattel und Steg, weil die Saite sich dehnen muss, um eine Schwingung auszuführen.
Ein Instrument aus einem elastischen Material wird geneigt sein, diese Schwingung abzufedern. Dabei verliert die Saite Energie.
Ein sehr leichtes Instrumentenmaterial wird aufgrund seiner geringen Trägheit durch die schwingende Saite regelrecht gerüttelt. Auch dabei verliert sie Energie. Ich bezeichne diese beiden Faktoren als Dämpfung.
Ansprache bedeutet: Wie lange brauche ich, um einen Ton zu erkennen? Dazu wieder die E-Saite eines Basses: Sie schwingt, wie bereits erwähnt mit 41,20 Hertz. Kaum eine Lautsprecherbox ist in der Lage, diese Frequenz wiederzugeben und doch kann man den Ton erkennen. Beim Anzupfen feuert die Saite nämlich ein wahres Feuerwerk harmonischer Obertöne ab. Dieser Einschwingvorgang mit seinem Feuerwerk an Obertönen ist sozusagen der Fingerabdruck, an dem wir der Ton erkennen. Eine schnelle Ansprache ist demnach die möglichst schnelle Abfolge harmonischer, charakterisierender Obertöne.
Ein Instrument mit langen Sustain schwingt nicht nur lange aus, es benötigt in der Regel auch lange Zeit zum Einschwingen, d.h. es spricht langsam an. Ein Instrument, das schnell anspricht, wird meist durch das verwendete Material und die Konstruktion darin unterstützt, indem das Instrument der Saite Energie entzieht und damit den Einschwingvorgang verkürzt - und damit auch das Sustain.
Von Resonanz reden wir, wenn ein anderes Medium ( Luft, Holz, Metall...) Von der schwingenden Saite auf deren Frequenz zum Schwingen angeregt wird.
Allen (Zupf-) Instrumenten, egal ob Brett und elektrisch oder hohl und akustisch, sind zwei Dinge gemeinsam.
Erstens: Jeder Körper hat mindestens eine Resonanzfrequenz. Auf dieser Frequenz angeregt gerät der Körper stark in Schwingung. Wir kennen diese Resonanz im Holz als "Dead Spot". Das Instrument schwingt kurz und heftig auf und der Ton verstummt.
Die zweite Gemeinsamkeit aller Holzinstrumente liegt darin, dass das Holz dem Ton durch Resonanz und Dämpfung Farbe und Charakter gibt. Die Saite, egal ob Stahl oder Nylon gehorcht immer den gleichen Physikalischen Gesetzen. Sie klingt unter neutralen Voraussetzungen immer gleich. Die Färbung eines spezifischen Klangs geschieht dadurch, daß Anteile des Frequenzspektrums durch Resonanz und Dämpfung im Holz untergehen.
Der Unterschied zwischen "Brett"- und akustischen Instrumenten ist folgender: Das akustische Instrument soll die Energie der schwingenden Saite in akustische Leistung umsetzen. Es ist ein akustischer Verstärker. Die Energie der schwingenden Saite soll möglichst effizient verzehrt werden, um damit Decke und Hohlraum auf allen Frequenzen heftig zum Schwingen zu bringen. Dieses Kriterium ist beim Solid-Body Instrument nicht gefragt! Man kann sagen, dass der Klang eines akustischen Instruments zum Größten Teil vom Spektrum und Faktor seiner Verstärkung, der des Solid-Body Instruments ausschließlich vom Spektrum und Faktor seiner Dämpfung abhängig ist. Der akustische Gitarrenbau legt sein Augenmerk daher primär auf die Erzeugung gleichmäßiger Resonanz, der Solid-Body Gitarrenbau auf deren Vermeidung und gezielte Dämpfung.
Ganz einfach zusammengefasst heißt das: Resonanz und Ansprache sind Gegenspieler des Sustain, Steifheit und Masse Gegenspieler von Resonanz, Ansprache und Toncharakter. Ganz einfach… Tatsächlich beschäftigen sich Instrumentenbauer seit Jahrhunderten damit, ihren Instrumenten durch eigenwillige Konstruktionen und neue Materialien "unmögliche" Eigenschaften abzutrotzen und ein Ende der Entwicklung ist zum Glück noch nicht in Sicht.