Wer schreit, der bleibt!

W. Kraushaar 08/08

„Bauknecht weiß, was Frauen wünschen!“
Was war das noch nette Werbung?! Natürlich totaler Quatsch, wie alle Werbung – Wer ahnt schon, was Frauen wünschen? Mein Vater weiß das nach 60 Jahren Ehe nicht. Wie auch? Ich glaube, die Frauen wissen es oft genug selber nicht.
Ist ja auch schwer geworden, Heute. Da reicht die Streuung von der karrieregeilen Yuppie-Zicke bis zu willfährigen Mutterkuh. Wenn man Pech hat in einer Person und binnen eines Jahres. Wer soll sich da noch auskennen? Trotzdem. War nett, die alte Werbung.

Auch wenn es daran nicht mangelt; mit dummen Klischees alleine kommt man Heute nicht weiter, außerdem erreicht man damit vielleicht nicht jeden. Was hilft, ist Lautstärke. Ich habe darum vor etlichen Jahren den Fernseher abgeschafft. Mein Herz hielt das nicht mehr aus: Der massive Lärmanstieg während der Werbeblöcke, die Schrecksekunde und der panische Griff zur Fernbedienung, gefolgt von der Sorge, dass es die Lautsprecher diesmal gewiss hinter sich haben… Gut, die Werbeterroristen haben das Problem nivelliert, indem sie praktisch den ganzen Abend aus allen Rohren feuern – man muss nur noch während der Spielfilmpausen etwas lauter machen. Aber diese Unterbrechungen! Bei Kurzfilmen musste ich mir schon Notizen machen, damit ich nach den Propagandablöcken noch mit der Handlung hinterher kam. Um aber einen Streifen wie Ben Hur auf dem Privatsender zu erleben, reicht ein Jahresurlaub nicht mehr aus. Kurzum – ich verlegte mich aufs Radio.  

Hier beginnt die Werbung immer mit einem Geräusch, das an einen zerrissenen Vorhang erinnern soll. Rraaatschhhh! Den Vorhang eigener Gedanken. Es ist nicht mehr das Produkt und dessen Eigenschaften, die beworben werden. Eitle Werbefuzzis künden ihren Auftritt an! United Colors of Beneton haben in den 90ern damit begonnen, geschmacklose Skandale zu provozieren. Seit dieser Zeit gilt der Grundsatz: Any promotion is good promotion! Und so haben sich die Werbehansel darauf verlegt, den Menschen einfach nur noch auf den Sack zu gehen; Nicht, damit Konsumenten etwas kaufen - Ich glaube sie wollen nur noch, dass man sie wahrnimmt. Egal wie!
Kauft denn jemand „Seitenbacher Müsli“, weil  eine unerträgliche Deppenstimme den Namen 20-mal in einem 10Sekunden Spot sagt? Das Land stöhnt vor Schmerz, wenn der Spot beginnt: „Oh Gott – der schon wieder!“
„Hurra!“ freut sich da der Propaganda-Scherge! „Sie springen aus dem Fenster, aber sie sterben mit dem Namen Seitenbacher auf den Lippen!“

Was man nicht anschallen kann, das kann man vielleicht so verpacken, dass es quält? Der neuste Schrei ist das Bekleben von Obst.  Sie meinen vielleicht, dass der liebe Gott und nicht die Firma XY die Äpfel erfunden hat? Das stimmt, aber jetzt gibt es den Apfel, von dem man erst einen Aufkleber herunter pulen muss, bevor man ihn an Eva weiter reichen kann.
Sie müssen den Namen darauf nicht lesen. Das tut keiner und es würde der Firma auch nicht dienen. 
Niemand will nämlich wissen, welcher Idiot ihn schon vor dem Sündenfall straft - wer jede Frucht mit ekligen Zetteln verkleistert -  so dass man ab jetzt knibbeln muss!  Bis in alle Ewigkeit! Nur der Werbe-Gott freut sich, dass er das Land mit seiner „Kampagne“ erfolgreich gegeißelt hat.

Dramatischerweise führt die Bewerbung mit dem Flammenwerfer bei steigender Hitze zu einer analogen Abstumpfung der Konsumenten, was wiederum zu einem anziehen der Daumenschrauben durch Lärm, Doofheit, Plakate und Aufkleber führt. Das Wettrüsten ist mitten im Gange und wir befinden uns im Krieg! 

Neulich hatte ich schon Pflaumen in der Hand, die mit Aufklebern versehen waren. Manche sogar mit mehreren. Oft muss man sie abschneiden, weil der Kleber sonst zurück bleibt.  Das ist schon ganz effizient. Aber wie wäre es auf Trauben? Oder Salat? Kaffeebohnen? Das bekommt bestimmt keiner mehr ab. Da muss man die Hälfte weg werfen! In Getränke könnte man so kleine U-Boote mit Namen tun. Die muss man dann erst sieben, wenn man nicht daran ersticken will. Das nervt bestimmt super!

…Oder mit dem Lärm… Man könnte die Leute doch nachts anrufen und ihnen mitteilen: “Diese nächtliche Ruhestörung wurde ihnen präsentiert von Autohaus Sowieso…“ Das wird wahrgenommen! Und der Stein im Fenster teilt mit: „Doofi Reisen jetzt zu Sonderpreisen!“

Vielleicht muss man auch irgendwann mit Schmerz…
Ich stelle mir vor, dass Induktionsschleifen in Supermärkten bei Plomben- und Prothesenträgern durch Hitzewallungen im Morsealphabet den Namen einer Krankenkasse bewerben. Daran kommt keiner mehr vorbei. Junge Konsumenten vielleicht…
Hmm.
Wir wäre es mit Strom? Blendung? Bärenfallen? Brandings? Oder Bolzenschussgeräten, die Fähnchen mit Firmenlogo in die Waden schießen?
Da geht bestimmt noch was!
 

Also nun zum Ende die 1000 Euro Frage: Wer wird den Kampf gewinnen?
Die anpassungsfähige Natur des Menschen, der irgendwann auch im schlimmsten Sperrfeuer abstumpft, oder der Erfindungsreichtum der selbstverliebten und skrupellosen Propaganda-Krieger?
Wie lautet Ihr Tipp?
Wer hat die Nase vorn?
Der Koma-Konsument, oder der Werbe–Werwolf?
Wwwwer-wwwird-gewwwinnen??

Rufen Sie jetzt an, unter 0170 / 17171717 und folgen sie den Instruktionen, oder wir erschießen ihre Mutter, die sich in unserer Gewalt befindet!