Sex im Alter

W. Kraushaar 12/09

Junge Menschen zur Räson zu bringen, ist inzwischen gar nicht mehr so einfach. Oft haben sie mehr Geld als ihre Eltern, so dass sie über Taschengeldentzug nur müde lächeln. Mein Sohn hat bereits größere Füße als sein Vater und die Tage, an denen ich ihm noch körperlich über bin, sind gezählt. Fragen an den Papa zu seinen Mathematikaufgaben unterdrückt er schon lange pietätvoll und die Bedienung von technischem Gerät überlasse ich auch lieber der jungen Generation. Ich kann auch die klein geschriebenen Bedienungsanleitungen immer schlechter lesen...

Um es kurz zu machen:Unter der abgedunkelten Beleuchtung meines Leistungsprofils ist es praktisch unmöglich, einem jungen Menschen Respekt abzuringen – ihn mundtot zu machen, ist extrem schwierig.

Neulich aber habe ich einen Weg gefunden, wie ich wenigstens meine vorlauten Auszubildenden in die Schranken weisen kann:Alters-Sex!

Nichts scheint für einen jungen Menschen schrecklicher, abstoßender und Ekel erregender, als die Vorstellung welker Lüsternheit. Kein Kind möchte sich den Moment seiner Entstehung vor das geistige Auge rücken lassen. Eltern haben keinen Sex und die hervor gezerrte Vorstellung verschmelzender, lederner Körper schlägt härter als eine siebenschwänzige Katze!

Und so beginne ich meine Rede, wenn die jungen Leute wieder nicht parieren wollen:„Es war ein mal eine sehr alte Biene....“

„Nein – Meister! NICHT die Biene!“, ruft der junge Lehrling, der eben noch so verstockt war.

„Dooch!“ sage ich unversöhnlich mit dem bebenden Zorn der Gerechtigkeit..

„Es war einmal eine seehr alte Biene! Eine sehr, sehr alte Biene!! Und die setzte sich.... - Hier geblieben, Bürschchen!! - und die setzte sich auf eine welke Blume!“

„Bitte, Meister – ich muss noch die Spritznebel-Absaugung reinigen, Euer Auto waschen und Bier holen!“

Nix da – ich bleibe hart! Dieses Mal gibt es die ganze Geschichte. Faules Gesindel! Wer nicht wühlen will, muss hören!

„Die welke Blume hatte einen Kelch voller süßem Nektar, aber der Rüssel der Biene war schon alt und faltig...“

„Habt Erbarmen!“ kommt es aus dem Jungen, der sich die Ohren zu hält und die Augen zu kneift. Aber zu spät! Die bösen Gedanken sind ihm schon ins Hirn gefahren und fräsen eine breite Schneise zwischen dem Ekel- und dem Sexualzentrum - Gänge aus fleckiger Haut. Zahnlose Münder sabbern lüstern und hängende Brüste schlackern im Takt der Worte des Meisters wie Soldaten, die im Stechschritt auf den Lehrling nieder trampeln...

„...da stieß die Biene ihren Rüssel tief in den süßen Kelch – immer und immer wieder!“

„Neihein!“, wimmert der junge Bursche

„Oh-dooch! Und noch mal und noch mal!“, entflieht es mir gnadenlos.

Während ich mich am Bild des sich windenden Lehrbuben weide, kommt mir eine wahre Begebenheit in den Sinn. Natürlich verlasse ich die Bienenebene niemals. Schließlich will ich die Buben nur quälen – nicht aufklären! Also plapper ich weiter hässliche Dinge von schlaffen Rüsseln und vollreifen Pflaumen, während mich die vergangene Nacht einholt:Der übermäßige Konsum gegorenem Fruchtsafts führt ganz offenbar zu einer erhöhten Neigung, Krämpfe in den Beinen zu bekommen. Nun musste der vergangene Abend also mit einer vielleicht etwas erhöhten Dosis einher gegangen sein, denn meine geliebte Frau und ich kamen sehr spät und mit dem Taxi aus der Stadt. Dies war das eine Indiz. Das andere bestand darin, dass ich in dem Moment – „…da kam die Biene wieder mit ihrem großen Rüssel...“ – „Nein, Meister!“ –...einen schrecklichen Krampf im Oberschenkel bekam.
Es gibt nur einen Weg, ihn zu lösen: Man muss aus dem Bett springen und das Bein strecken.

„Aber die alte Biene hatte es im Ischias, denn sie war gebrechlich und grau und so rief sie: Warte, Du süße alte Frucht, ich will meine alten Glieder strecken...!“

„Aua-Meister-aua!“

Zwar führen solche Unterbrechungen zu einem temporären Abbruch des Liebesspiels, aber was ist das schon im Angesicht unseres biblischen Alters? Also tat ich, was ich tun musste...

„Lachend rief die welke Blüte: Ja, recke Dich, mein Bestäuber ich will meinen Kelch für Dich bewahren...!“

„Ich bitte um Vergebung für alle meine Sünden“, rotzt mir ein schlotterndes Bündel nass in die Kittelschürze..

Es ist Winter und da lässt man besser die Socken an. Meine geliebte Frau mag das nicht, aber sie mag auch keine Hornhaut an den Füßen. Das ist ein Grund für Socken im Bett. Denn ohne Socken könnte sie auf den Gedanken kommen, ich hätte die Schuhe an behalten. Mit Wollsocken glaubt sie vielleicht, es sei meine Haut.

Der Krampf war nicht so schlimm und ich schaffe es, ihn zu lösen und die Erektion zu halten.

„Die Biene wendete sich jetzt wieder der Blüte zu, um sie zu befruchten...“

Wimmern vom Schergen zu meinen Füßen...

Doch da blieb mein Socken am Klettverschluss des Blutdruck-Messgerätes kleben. Ich habe es unter dem Bett, weil mein Arzt mir riet, den Blutdruck zu messen, wenn ich wieder nicht schlafen kann und das Herz… naja, egal. Da lag es jedenfalls seitdem und war eine unheilvolle Verbindung mit meinem Wollsocken eingegangen, während der Kelch lockte.

Irgendwie schaffte ich es aber wieder ins Bett - allerdings mit einer Blutdruck-Manschette am Fuß.

„Die alte Biene hatte sich wieder bei der vollreifen Frucht eingefunden. Aber sie hatte sich auch all das Werkzeug mitgenommen, was man zum Befruchten braucht: Die Bandagen, die Drainagen, die Pumpen und die Stützstrümpfe...“

Das Bündel auf dem Boden zuckt kaum noch. Große Schnauze, nichts dahinter...

Die Manschette war durch einen Gummischlauch mit dem Gerät verbunden und das wurde jetzt unter dem Bett hervor und in das Geschehen gezerrt. Es musste wohl über den Boden gepoltert sein – jedenfalls ging es an: PIP-PIP! PIP-PIP! ÖRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRR!

Eine kleine Pumpe blies die Manschette an meinem Fuß auf, während eine andere Pumpe alle Hoffnung fahren ließ.

ÖRRRRRRRRRRRRRRRR! machte die kleine Luftpumpe, und die noch runde Manschette begann unter dem steigenden Druck im Klettverschluss unheilvoll zu knistern. Mit einem lauten Knall riss das Klett, was die Armmanschette zu einem Ring band und formte sich im Bruchteil einer Sekunde zu einer langen Zigarre. So verformt und angeschoben schoss die Manschette los und traf mich wie ein Torpedo am Zentrum aller Bemühungen.

Nachdem wir uns die Lachtränen von den Wangen geküsst hatten, nahmen wir uns für das nächste Altentreffen die Hummel und den Klee vor.

Natürlich eine August-Hummel im Feld vor dem letzten Sonnenuntergang.

Und dem Elend zu meinen Füßen sage ich - bevor ich über ihn steige: „…hast du ne Ahnung?!“