Ingo, der iberische Hitzkopf

(Heizen in Catalunya)


W.Kraushaar 2024



Mein neuer Pelletofen war der beste Kauf seit meiner künstlichen Hüfte! Als wir nch 15 stündiger Fahrt in meinem Domizil in Catalunya ankamen, war das Haus total ausgekühlt und Hugh, mein englischer Begleiter stellte entsetzt fest, es sei hier kälter, als in seinem Haus in Wales! Welch eine Schmach! Selbst, wenn es frech gelogen war, wollte sich doch niemand vom Land des horizontalen Regens herausgefordert sehen. Man weiß sofort, wie der Hase sich gefühlt haben musste, als er vom Igel zum Rennen aufgefordert wurde. Es war lächerlich!

Ich befüllte meinen noch jungfräulichen Ofen mit Pellets, die ich wohlweißlich aus Deutschland mitgebracht hatte und drückte, das schwule Bedienungsanleitungsgefasel männlich ignorierend, den On-Schalter. Nach wenigen Minuten wandelte sich die kühle Heimstätte in eine Wohlfühloase, was sage ich? In einen Serail!

... zumindest, was die Temperatur anbelangt. Ingo, so haben wir ihn getauft, Ingo, der Iberische Hitzkopf verrichtete seine Aufgabe nämlich nicht ganz geräuschlos. Anfangs waren wir noch zu begeistert von der Wärme, mit der er das Haus verzauberte. Später erst fielen die Geräusche auf, die er dabei machte...

Sie waren nicht von dieser Erde!

Ingo brummte, raunte und rappelte mechanisch nach einem tieferen, geheimen Plan. Er klang, wie ein UFO! Durch die dünnen, losen Bleche, die ihn verkleiden, bekam jedes Geräusch einen Hall aus den Tiefen des Weltraums! Mysteriös, kalt und gnadenlos! Es war der Ruf aus der Tiefe des kalten, schwarzen Nichts da draußen!

Ich war mir noch nicht sicher, ob ich dies genauso gut fände, wie seine freundliche Wärme, aber das Rennen gegen das Haus in Wales hatten wir auf alle Fälle gewonnen!

Ich hatte bereits so eine Ahnung, als ich den Ofen im Angebot des hiesigen Baumarktes für 599 Euro erstand, was ein wirklich guter Preis war. Irgendetwas würde ihn wohl von den anderen Öfen unterscheiden, die etwa bei dem Doppelten angesiedelt waren. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass ich ihn maximal ein Zwölftel des Jahres würde gebrauchen müssen, wischte ich diesen Gedanken routiniert beiseite.

Routiniert darum, weil mich meine chronischer Kurzsichtigkeit in ähnlichen Situationen bereits dutzende Male in Bedrängnis gebracht hatte. Und auch hier sollte sich herausstellen, dass sich das Zusammenleben mit einem startenden Raumschiff als schwierig, um nicht zu sagen, als enervierend erweisen würde - selbst, wenn dieser Zustand nur 4 Wochen weilen sollte...

Die Idee, Ingo alleine abheben zu lassen, griff aus mehreren Gründen zu kurz:

Zum einen war die Vorstellung absurd, in der örtlichen Bar sein gesamtes Urlaubsgeld vertrinken zu müssen um im Zustand finaler Zerrüttung auf die mitleidige Frage, ob man denn kein eigenes Zuhause habe, traurig zu antworten:" Doch, aber dort ist Ingo.."

Zum Anderen war die Gefahr, nach Hause zu kommen, um dort nur noch ein rauchendes Loch in der Decke vorzufinden, mit Händen zu greifen! 599 Euro waren ein guter Preis für einen Ofen - aber nur in meinem Haus. Nicht auf Betageuze! Es bestand also Aufsichtspflicht!

Ingo war auffällig. Es ließ sich nicht schön reden! Er hatte einen Hang dazu, sich in den Mittelpunkt zu stellen. Mehr noch: Er wollte die Kontrolle übernehmen. In seiner Eigenschaft als Klimabeauftragter war dies in Teilen erwünscht, aber mit seinen nervigen UFO Geräuschen okupierte er das Haus und unsere Gedanken! Was tun?

Die Idee das Haus unter Verwünschungen zu verlassen, lag natürlich nahe.

Klar, der Mensch ist ein FluchTier!

Man könnte Ingo aber vielleicht auch aktivieren und aus der Wohnstatt fliehen, in der vagen Hoffnung, dass er das Haus erwärmt und sich nicht in eine Parallelgalaxie verbrummt.

Jetzt sind spanische Häuser jedoch schlechter isoliert, als eine Aldi Tüte. Der in der europäischen Union notwendige Energiepass, welcher mir beim Kauf überreicht wurde, besaß drei Seiten,bei denen man sich erst mal zum Buchstaben Y vorblättern musste, den dieses Haus markiert. Energie sparen ist auf der iberischen Halbinsel bei 45 Grad nicht das vordringliche Thema. Für die Existenz von Jalousien auf der Südseite landete mein Haus nicht auf dem Z! Ich fand das gut. Die Bartgeier, die in der Tierra Alta heimisch sind, fanden während des Beheizens über unserem Haus beste Thermik, fielen aber wie Steine zu Boden, sobald ich den Ofen ausschaltete. Und auch der Winter kehrte in Sekunden zurück in die Gemächer. Um es abzurunden: Der Gedanke, in Abwesenheit vorzuheizen, war den Brennstoff nicht wert, selbst wenn man Geier liebte!


"Wie wäre es, ihn einzumauern?" kam von meinem Gast. Eine Frage, die nur von einem Walliser kommen konnte, die es gewohnt waren, Dörfer, Höfe, aber gewiss nichts kleineres als den Vorgarten des Nachbarn nieder zu brennen! Walliser und Pellets?!

"Bist du verrückt?! Hast du mal gesehen, wie komplex so ein Pellet Ofen konstruiert ist?" , fuhr ich meinen englischen Freund an. Ein Pellet Ofen – das ist Feuerungstechnik des 3. Jahrtausends!

Pellets werden nicht einfach verbrannt. Sie werden mit Fanfaren einzeln zum Brandrohr geleitet. Dort werden sie gewogen, nach Farbe, Größe und Religionsangehörigkeit sortiert. Eine Schnecke schiebt sie sanft zum Ort des Geschehens, wo ihnen unter Klängen von Schubert oder Mozart die erste Röte ins Gesicht geblasen wird. Erst mit steigender Hitze wechselt das Programm von Liszt über Chopin zu Rachmaninoff, so dass die Pellets im einem forte fortissimo im Feuerwirbel aufsteigen und als Funkenregen vergehen.

Die Technik dazu lässt die Steuerung eines Spaceshuttles wie einen Lego Müllwagen aussehen! "Da gegen ist eine schweizer Armbanduhr Faustkeil Technik! Das willst du einmauern?" fragte ich meinen wallisischen Freund "Da kommst du nie mehr dran! - Das ist keine gute Idee!

Es klingelte. Draußen stand mein Nachbar Jordi. Er hatte von meinen Problemen gehört, weil ich neulich in der Kneipe getröstet werden musste. Man konnte mich nicht anders vom Tresen lösen und die Wirtin wollte ins Bett. Im Dorf spricht sich ja alles herum.

Jordi arbeitet auf dem Bau und hört schlecht. Für uns zwei trifft sich das gut, denn ich verstehe schlecht. Also: Catalan. Darum verständigen wir uns weitgehend in Zeichensprache, was uns beiden zugute kommt. Es kann sein, dass Jordis schlechte Ohren vom Baulärm herrühren. Krach ist ja bekannterweise der Stolz jeder spanischen Arbeit. So kann der Spanier von Ferne die Qualität einer Arbeit an ihrer Lärmentwicklung und vor allem an ihrer Andauer beurteilen. Darum sind Explosionen, obschon beeindruckend, weit weniger geachtet, als beispielsweise ein Presslufthammer, der eine Woche die Hausfassade bearbeitet. So kommt es, dass der Spanier mehr hämmert als sprengt, was Ausländer im allgemeinen schätzen...

Es liegt nahe, dass Jordi auf die Weise sein Gehör verlor, es mag aber auch genetische Dispisition gewesen sein. Spanier tragen ja zwei Nachnamen: Den des Vaters und den der Mutter. Hier im Dorf heißen viele Leute Pinjol.

Jordi heißt Pinjol Pinjol.

Ungeachtet dessen ist er ein netter Mann und er bedeutete, mir umgehend helfen zu wollen. Er habe noch etwas in seiner Werkstatt und wir müssten nur... Den Ruß ignorierend, der von der Decke aus dem Kamin rieselte, riss er das Ofenrohr ab und hatte den Ofen unter dem Arm, wie ein unartiges Kind.


Jordi drehte bei, so dass er meine Gesten einfach übersehen konnte, krachte die schwielige Hand auf die Klinke und war mit drei Schritten aus dem Haus. Durch meinen hilflosen Protest hörte ich ihn das Wort „Garage“ sagen. Also trabte ich ihm nach. Was sollte ich tun?

Im Ebro Delta hat man Garagen, deren Höhe vermutlich nach dem Wasserstand des schlimmsten Hochwassers bemessen sind. Die Wohnungen befinden sich darüber. Je näher man an den Fluss kommt, desto höher werden die Garagen. Wir traten durch ein Tor und standen in einer Halle kontinentalen Ausmaßes! Das gesamte Haus war über uns. Irgendwo da oben, in einer anderen Klimazone. In einer entfernten Ecke standen Traktoren, Lastwagen, Bagger, Anhänger und etliches Baugerät. In einer anderen Ecke standen die Alltagsfahrzeuge. Autos und Zweiräder aller Art. Dazwischen eine Wetterfront...

Jordi stellte den Ofen etwa in der Mitte ab und knurrte :"Momento!"

Mit einem Handgriff hatte er eine Kettensäge in der Hand, riss daran und schnitt unter dem aufheulen des Morors behende eine Scheibe Steinwolle von einem da liegenden, großen Klotz ab. Bei uns hätte man vielleicht ein Küchenmesser genommen. Das aber ist in seiner Geräuschentwicklung völlig wertlos und wird hier deshalb den Frauen zum Brot schneiden überlassen.

Zufrieden stand Jordi im blauen Dunst des Zweitakters und begann, die Steinwolle in die Zwischenräume das Ofens zu stopfen. Das hatte er also vor!

Ich hielt den Plan für sehr verwegen, dieses Wunderwerk der Mikromechanik achtlos mit Mineralwolle zu verfüllen! Was, wenn die Schnecken, Rädchen, Ventilatoren, die Kabel und Sensoren, die Röhren und Fühler Schaden nähmen – wenn sie verstopften, hängen blieben und am Ende versagten? Aber meine Einwendungen wurden weder in Catalan, noch in Gebärdensprache wahr genommen.

Ingo bekam richtig dicke Backen und schlussendlich wurden die wabbeligen Bleche mit einem Schlag von Jordis flacher Hand wieder befestigt. Fuppp! Da waberte nichts mehr! Kein Hall aus dem All, keine Resonanz, kein Blech...

Es klang, wie die dicke, blaue Matte im Sportunterricht. Fuppp! Fuppp, Fuppp!

Jordi schien zufrieden!

Ein kontinentaler Hausunterbau ohne Strom ist wie ein Fisch ohne Fahrrad. Das weiß jeder Hallenbesitzer. Darum sind an Kreuzungen und Landesgrenzen übersichtlich Kabeltrommeln drapiert. Jordi griff nach einer Solchen und stellte Ingo unter Spannung. Um den Abzug des Rauchgases scherte er sich nicht. Im Vergleich zu den Baum- und Bambus Abschnitten, die hier allenthalben abgefackelt wurden, bei denen der Rauch das Tal verdunkelte, konnte mein Ingo hier bestenfalls leise hüsteln. Außerdem zog die Wetterfront aus der Ecke der Baumaschinen herüber und versprach kräftigen Wind.

Anfangs war außer einem leisen Brummen gar nichts zu hören. Dann aber löste sich ein Lüfterrad, was offenbar mit Steinwolle verstopft war und begann, seine Lamellen am umgebenden Dämmstoff zu reiben. Rrrrrrrraarrrrrrarrrrrrrarrrrrrrarrrrrarrrrrrrarrrrrra! Es klang, wie eine Kettensäge aus Xerta, dem Dorf auf der anderen Seite des Flusses. Wie ein Motor mit Tremolo. Jetzt öffnete sich auch der Pellet Schacht mit einem lauten Knacken gegen den Widerstand des Dämmstoffes und ließ die ersten Holzpillen klickend in die Feuerschale fallen.

Knack!Rrrrrrrarrrrrrarrrrrrrarrrrrra!Klick!Knack!Rrrrrrrarrrrrrrrrarrrrrrra!Klick!Knack!Rrrrrrarrrrrrrarrrrra......

Jordi hörte von alle dem natürlich nichts.

Ingo, der offenbar zu wenig Luft bekam, vergaste nun seine Pellets, anstatt sie zu verbrennen. Es begann zu schwamen und zu rußen. Dichte, weiße Wolken stiegen aus dem Abgasrohr. Lächerlich, im Vergleich mit einem Hektar brennendem Bambus, aber es qualmte ganz ordentlich.

Für Jordi war dies ein untrügliches Zeichen seines Erfolges! Er drehte sich um, riss triumphierend die Arme hoch und schaute mich auffordernd an.

Was sollte ich tun?

Ich hob den Daumen und lächelte zurück. Na klar, was denn auch sonst?

Ich fand, dass Ingo hier eigentlich einen guten Platz hatte. Letztlich hatte er mir ja daheim auch nur Ärger gemacht und wenn mir mal kalt sein würde, wusste ich, wo ich ihn fände.

Überhaupt ist es ja in Spanien auch nur ein paar Wochen wirklich kalt und wenn ich mir doch noch mal einen Ofen kaufen würde, sollte ich beim nächsten Mal vielleicht etwa das Doppelte anlegen... so, wie es die anderen Leute tun.