Schön und gut
"Was waren das noch Zeiten!", so jubelte mir neulich ein Rentner zu, "als in einem von drei Aachener Musikgeschäften eine Fender Stratocaster im Schaufenster stand, an dem sich alle Musiker die Nase platt drückten, während der Gedanke durch ihren Kopf ging, ob sie sich zu erst ein Auto, oder diese eine amerikanische Gitarre kaufen sollten..."
Inzwischen stehen in den hiesigen Musikgeschäften Waren von einigen Millionen DM und decken damit doch nur einen Teil des inzwischen unüberschaubaren Angebots ab. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn mancher angehende Musiker vor der Frage verzweifelt, was denn jetzt das Richtige für ihn sei.
Ich finde, es ist einer Erwähnung wert, daß Instrumente in den vergangenen 30 Jahren sagenhaft billig geworden sind. Wenn man bedenkt, daß eine Strat, eine Gibson, eine Martin schon vor 30 Jahren in etwa den gleichen DM Preis hatten wie heute, während ein Neuwagen vielleicht 8000 DM kostete und Papa keinen Tausender nach hause brachte kann man mit dem nörgeln mal kurz innehalten und in die Hände klatschen! Dabei fällt mir ein: 1986 schrieb mir ein Ossi, sein Sqire Jazzbass, den er gebraucht für 6500 (!) Ostmark erstanden hätte, wäre umgefallen und ob ich ihm zu einem neuem Bunddraht verhelfen könnte...
Vielleicht entstand durch den hohen Preis, den man entrichten mußte auch der Wille, mit dem neuen Gerät vertraut und letztlich auch zufrieden zu werden.
Heute stellt sich die Problematik anders: Durch das ständig wachsende Angebot und die fallenden Preise sind viele Menschen unsicher und mißtrauisch geworden. Da wird ein Preis vom nächsten unterboten und zum Schluß stellt sich die Frage: 300 Mark für Gitarre, Gurt, Amp und Kabel - Ist das auch wirklich gut? Die Antwort fällt einsilbig aus und ich befürchte keinen Ärger durch Berufskollegen: Nein!
Zwar ist die Fertigungsqualität in den vergangenen Jahren durch moderne Produktionsmethoden immer besser geworden, aber das unterste Preissegment ist und bleibt Einwegware. Bei einer Gitarre für 300 DM die, einmal aus dem Geschäft getragen, nur noch die Hälfte wert ist, stellt eine kleine Reparatur bereits einen wirtschaftlichen Totalschaden dar. Ab in die Tonne, danke Ende! Dabei sollte fairerweise erwähnt werden, daß Instrumente unter der 500 Marks Grenze nicht deshalb produziert und verkauft werden, um angehende Musiker in ihrer Karriere zu behindern, sondern weil es von Teilen der Kundschaft so gewünscht wird. Ein Geschäftsmann verkauft lieber eine Gitarre für 1000 DM, statt vier für 250.
Für denjenigen, der jetzt konkret auf der Suche nach einem brauchbaren Instrument ist, bleibt die Frage: Wer berät mich objektiv, oder hilft mir, das Richtige zu finden?
Da ist zum einen der Fachhändler. Er sollte kompetent sein, Service - und Garantiearbeiten anbieten und sein Geschäft in der Nähe haben. Wer für jede Kleinigkeit zwei Stunden auf die Autobahn muß, hat den Preisvorteil schnell beim Tankwart gelassen. Natürlich setzt ein solches Verkaufsgespräch eine gewisse Fachkenntnis, und/oder großes Vertrauen in den Händler voraus. Beides ist bei einem Anfänger nicht unbedingt zu erwarten.
Dann gibt es noch Fachzeitschriften. Sie werden von weiten Teilen der Musikerschaft wie die Bibel gelesen. Hier würde ich mir manchmal etwas mehr kritische Betrachtung wünschen. Von dem, was eine Werbeseite darin monatlich kostet, muß mancher Musiker ein Jahr lang sein Dasein fristen. Es müßte eigentlich klar sein, wie sich eine solche Zeitschrift finanziert. Letztlich müssen sich die Redakteure, von denen in keiner weiß, welche besondere Fähigkeit sie zu diesem Job brachten, auch nicht vor ihren Lesern für den Sinn oder Unsinn ihres geschriebenen Wortes verantworten. Fachzeitschriften erfüllen einen wichtigen Zweck, wenn es darum geht, sich einen Marktüberblick zu beschaffen, denn sie bekommen alle neuen Produkte zur Bekanntmachung vorgelegt. Als Hilfe für eine Kaufentscheidung halte ich sie für ungeeignet.
Die größte Hilfe beim Kauf eines neuen Instruments ist ein guter Lehrer. Wenn er Berufserfahrung und Kompetenz besitzt, kann er seinem Schüler durch seine Erfahrung, und sein Ohr das Richtige empfehlen. Er weiß, was sein Schüler braucht, weiß, wo er das entsprechende Angebot findet und weiß dessen Qualität einzuschätzen. Da die Fortschritte des Schülers auch mit der Güte des gewählten Instruments zusammenhängen, kann man seinem Lehrer volles Vertrauen schenken. Der Besuch eines Musikgeschäftes mit dem Lehrer vermeidet außerdem die vielen Anfängern unangenehme Situation, sich als unwissend outen zu müssen.
Zum Schluß darf ich den emotionalen Aspekt nicht auslassen. Ton hin, Verarbeitung her, chic sein muß sie schon! Wer sich in sein Instrument nicht verliebt, wird auch kaum darauf singen können. Es ist ein wesentlicher Punkt, daß wir uns von einem Instrument erst einmal angezogen fühlen müssen, um uns damit zu beschäftigen. Im Umgang mit Menschen ist das ja nicht anders. Also muß "sie" einen irgendwie mächtig anmachen und dabei kann keiner raten, oder helfen.
Zum Verlieben braucht’s halt keinen guten Rat und die Ratio steht sich währenddessen eh immer nur die Beine in den Leib!
Und wenn die Liebe dann nicht hält, bleibt doch ein Trost:
Die Scheidungskosten sind vergleichsweise gering.