Gute Saiten - schlechte Saiten
Was macht eigentlich einen "guten Ton" aus?
Wenn man Musikern diese Frage stellt, bekommt man eine Fülle von Antworten, deren Reihenfolge meist mit der bevorzugten Stilrichtung zusammenhängt. Da wird dann das Instrument und dessen Hölzer, der Verstärker, die Pickups, Effekte, vielleicht sogar die Finger genannt. Ja, ja, aber was ist denn zur Tonerzeugung erst mal notwendig? Auch wenn der Name Saiteninstrument die Antwort in sich trägt, findet die Saite bei vielen Musikern wenig, oder keine Beachtung.
Wen wundert’s, werden doch in den Fachzeitschriften allmonatlich Instrumente getestet, beschaut und bis in's Detail dargestellt, ihre Klangeigenschaften werden phonetisch umschrieben, und nicht selten, vermutlich um kritisch zu erscheinen, wird irgendwelcher Unsinn bemängelt, z.B. daß der Gurthalter keinen Sicherheitsverschluß hat. Höchst selten wird dabei die Saitenstärke, - Art, ober - Marke erwähnt. Dabei läßt eine schlechte Nylonsaite ein gutes Instrument erbärmlich klingen. Eine Silk & Steel Saite klingt warm und verhalten, Phosphorbronze dagegen brillant und wuchtig, eine Nickel Saite klingt perlig und weich, eine Stainless Steel Saite harsch und laut. Manche Saiten für den Bass intonieren sauber, andere sind unbrauchbar. Auch das Spielgefühl, und damit eine Sympathie oder Antipathie zum Instrument hängen mit der Besaitung zusammen. Eine 11er E Saite hat 48% mehr Masse und Spannung, als eine 9er...
Und was liest man bei den üblichen Instrumententests dazu? Da wird der Hals vermessen, die Hardware beschrieben, das Instrument wird gewogen, es wird großspurig ein "Fuhrpark" angegeben, mit dem man "gecheckt" hat, zum Schluß wird noch die Saitenlage am 12. Bund (in 1/10tel mm!?) ermittelt und keiner weiß, um welche Saitenart und - Stärke es sich bei diesem Saiteninstrument handelt. Offenbar will das alles in den Redaktionen keiner wissen. Oder noch schlimmer; vielleicht weiß man es wirklich nicht.
Eine bekannte Gitarrenbaufirma aus Fernost hat über Jahre eine sehr geschickte Verkaufspolitik betrieben: Sie lieferte ihre elektrischen Instrumente mit Stainless Steel Saiten aus. Diese Saiten produzieren über sehr lange Zeit einen brillanten Ton. Damit waren sie nach einigen Wochen im Geschäft ihren Konkurrenten mit billigen vernickelten Saiten im Klangvergleich überlegen. Der Musiker entschied sich nicht selten für das "frischer" klingende Instrument.
Die Saite ist halt nicht nur irgendwie am Klangergebnis beteiligt, sie ist das erste Glied in der Kette! Wenn hier ein Fehler vorliegt, sei es durch Alter, Korrosion, einen Knick, oder wenn einfach nur die Saitenstärke oder -Art nicht zu den Spielgewohnheiten des Musikers, oder zum Instrument paßt, so läßt sich dieser Fehler durch kein nachfolgendes Teil in der Klangkette korrigieren. Zwar macht keine gute Saite ein schlechtes Instrument gut, sie kann aber u.U. bestimmte unerwünschte Eigenheiten des Instruments reduzieren. Ganz sicher leidet jedoch der Klang und die Bespielbarkeit eines guten Instruments unter einer schlechten Saite.
Was ist eine gute Saite und wann ist sie alt?
Güte ist schwer zu beurteilen, weil sich dieses Urteil kaum vom persönlichen Geschmack trennen läßt. Auch Spiel- und Hörgewohnheiten, Handschweiß und physische Kräfte sind zu unterschiedlich, um allgemeingültige Statements abzugeben. Die Fertigungsqualität und der Preis stehen dagegen oft in realistischem Verhältnis, wenngleich auch bessere Saiten zuweilen durch Toleranzen auffallen. Ich halte es in einem solchen Fall für legitim, eine geknickte, oder sonst wie fehlerhafte Saite aus einem neuen Satz umzutauschen. Bei einem Gyrosteller zum gleichen Preis würde man das auch tun, wenn er nicht in Ordnung ist.
Den Zeitpunkt zum Saitenwechsel zu bestimmen ist bei Stahlsaiten recht einfach: Wenn die Saiten dumpf und unausgewogen klingen, teilweise oktavunrein werden, rostig werden oder wenn umsponnene Saiten reißen ist es Zeit für einen neuen Satz!. Jawoll, einen neuen Satz. Natürlich ist beim Auftritt, oder einer Probe keine Zeit um alle Saiten zu wechseln, die gerissene umsponnene gibt aber das Signal, denn ihr folgt bald die nächste.
Außerdem klingen einzelne umsponnene Neusaiten in einem alten Satz deutlich heraus und schaffen so ein unhomogenes Klangbild. Meiner Erfahrung nach sind E- Gitarren Saiten nach ca. 20 Stunden hartem Spiel hinüber und beginnen zu reißen. Western Gitarren Saiten halten etwas länger, da an ihnen nicht so herumgezerrt wird. Bei Nylonsaiten ist der Diskant beinahe unkaputtbar. Da das blanke Nylon nicht vom Handschweiß angegriffen wird, kann es so lange aufgespannt bleiben, wie es sauber intoniert. Im gut sortierten Musikalienhandel bekommt man die Bässe einzeln. Bei der Lebensdauer von E- Bass Saiten gibt es zwischen den Herstellern immense Unterschiede. Viele Bassisten kochen ihre Saiten aus, wenn sie zu matt geworden sind. Die Hitze tut ihnen aber nicht gut. Spiritus (kalt!) ist schonender und tut’s genauso gut.
Leider gibt es auch Instrumente, bei denen immer die gleiche Saite schon nach wenigen Stunden reißt. Dies ist dann ein Fall für den Gitarrenbauer.
Hier noch eine Liste der gängigen Instrumentensaiten ohne Anspruch auf Vollständigkeit mit subjektiven Beurteilungen.
Bemerkung vom Juni 2001: Es gibt eine sehr umfangreiche Datei der Firma D'Addario zu Gitarrensaiten, Umspinnungen und Spannungen. Wenngleich ich mich immer ärgere, daß die Amerikaner noch immer zu dumm und/oder zu arrogant sind, Maße für Europa in Kg und Meter anzugeben, so ist dieses Werk doch eines der Besten, was ich bisher gesehen habe. Darum hier der Link: D'Addario
Umspinnungsarten
- Flatwound
- Jazz-Gitarre, Motown-Basssound, Fretless-Bass
- Flachdraht geschliffen
- weicher, fast dumpfer Ton, wenig Sustain
- keine Fingergeräusche, langlebig
- Halfround
- Jazz-Gitarre, Schlaggitarre
- halbrunder Draht
- weicher Ton
- wenig Fingergeräusche
- Roundwound
- E-Gitarre u. -Bass, Western-Gitarre
- Runddraht
- brillanter Ton
- die für Rock u. Pop meist gespielten
Umspinnungsmaterialien
- Stahl vernickelt
- E-Gitarre, E-Bass
- Fingergefühl und Brillanz zwischen Nickel u. Stahl
- Häufig verwendetes, preiswertes Verfahren.
- Stahl vergoldet
- E-Gitarre, E-Bass
- wenig Brillianz
- sehen schmuck aus, sind teuer
- Pur Nickel
- E-Gitarre, E-Bass
- weich, glockig im Ton, weniger Output als Stahl
- nicht sehr langlebig, aber sehr angenehm im Fingergefühl
- Stainless Steel (rostfreier Stahl)
- E-Gitarre, E-Bass
- brillanter, fast harscher Ton, viel Output, recht langlebig
- fühlen sich rauh und hart an, Fingergeräusche
- Bronze
- Western-Gitarre, Akustik-Bass
- brillant
- preiswert, altern schnell, klingen dann "tot"
- Phosphor Bronze
- Western-Gitarre, Akustik-Bass
- wärmer, etwas wuchtiger, als Bronze
- teurer, verlieren aber nicht so schnell an Obertönen wie Bronze
- Kupfer
- E-Bass, Konzert-Gitarre (nur Bass-Saiten), Akustik-Bass
- nicht magnetisch
- schnelle Oxidation, daher nicht langlebig
- wird kaum mehr verwendet
- Stahl versilbert
- Konzert-Gitarre, Akustik-Bass
- Nylonkern, für Konzert Gitarre und ak.Bass
- Standard bei Konzertgitarren-saiten, enorme Unterschiede zwischen verschiedenen Herstellern
- Carbon
- Konzert-Gitarre (nur Diskant-Saiten)
- Brillanz und Lautheit
- Höhere Dichte als Nylon, dadurch mehr Masse bei gleichem Durchmesser. Teuer.
- Seilsaiten
- Konzert-Gitarre, Akustik-Bass
- Brillanz ähnlich wie Stahl, Saitenspannung wie Nylon
- Seilsaiten sind Nylon umsponnene Stahlsaiten. Ein Zwitter
Stahl und Nickel werden übrigens häufig miteinander gemischt, um Wärme, Brillanz und angenehmes Fingergefühl zu verbinden.