Wertanlagen
„Ich hatte neulich einen Engpass, da habe ich meine 61er Tele für 20.000€ verkauft!“
Habt Ihr so was auch noch nie gehört? Ich auch nicht, komisch, dabei habe ich seit 30 Jahren nur mit Gitarristen und ihren Instrumenten zu tun.
Fast jeder glaubt, dass Gitarren jenseits der 70er 5-stellige Beträge wert sind, aber kaufen würde er sie – wenn überhaupt - nur für ganz kleines Geld. Was stimmt denn da nicht?
Einiges! Würde ich meinen...
Ich sehe und höre schon mal, dass sich jemand eine alte Gitarre gekauft hat. Selten – aber dann gilt dabei die Regel: Sobald es Geld kostet, geht nichts mehr von Privat. Wer 5000 Euro und mehr in die Hand nimmt, um ein altes Instrument zu erstehen, geht damit nicht zu Peter Müller in die Nachbarschaft und verlässt sich darauf, dass da schon alles richtig ist.... „Alter, kannste mir glauben – da ist ALLES echt! - 9 Tausend, bitte – ich lege noch ein original Ringelkabel von Ringo Starr drauf...!“
Im logischen Umkehrschluss kauft dir niemand eine alte Gitarre für viel Geld ab.
Teure Gitarren, und damit meine ich nicht den Fender Schrott, der in den 70ern die Firma beinahe in den Bankrott gepfuscht hat und heute plötzlich 3 Mille kostet, sondern angeblich ältere und teurere, gehen immer nur vom Händler zum Käufer. Nicht von privat an privat – es sei denn, man hat eine alte Oma übertölpelt und ihr was vom toten Opa für 100 Euro abgeschwatzt.
Wie aber kann man davon ausgehen, dass der Händler, der einem im letzten Jahr einen fünfstelligen Betrag für die Fabrikgitarre aus den 60ern abgenommen hat, jetzt noch ein paar Tausender drauflegt, um sie zurück zu kaufen?!?
Ist das nicht ein etwas gewagtes Konstrukt für eine „sichere Wertanlage“?
Die Generation der Sammler beginnt allmählich zu sterben und der Alptraum eines Manchen lautet, wie der bekannte Witz: „Meine größte Angst ist, dass meine Frau nach meinem Tod die Gitarren zu dem Preis verkauft, den ich ihr beim Kauf genannt habe!“
Hier kann ich entwarnen! Die Gefahr besteht nicht, denn die Sammlungen entpuppen sich als nahezu unverkäuflich!
Man darf auch mal still darüber nachsinnen, ob ein Wert in der Theorie weiter existiert, auch wenn man in der Praxis niemanden mehr findet, der ihn bezahlt.
Nebenbei frage ich mich aber auch immer wieder, woher die professionellen Händlern die Kompetenz haben und woher hier das ungetrübte Vertrauen der Käufer kommt.
Auf dem Internet Auftritt eines namhaften Händlers aus NRW las ich unlängst, er stelle die „Bundreinheit“ ein – für stattliche 75 Euro. Naja – wenn die Bünde kreuz und quer sitzen, dauert es vielleicht etwas länger.
Von genau diesem Helden hatten wir einen „reparierten“ Preci aus den 60ern da, dem man zum Unterlegen der Stellstabmutter Federringe eingelegt hatte.
Die haben an Instrumenten nun gar nichts verloren! Man gebraucht sie im Metallbau, um Schrauben gegen versehentliches Lösen zu sichern. Verringerung der Druckfläche bei Erhöhung der Reibung. So hilfreich wie eine Beule am Kopf. Dieser Händler gilt als ausgewiesener Vintage Spezialist!
Natürlich war das Loch um die Halsstabmutter total vernudelt worden, so dass der Besitzer uns bat, den unschönen Krater wieder zu reparieren.
Eine nachvollziehbare Bitte, die wir leider ausschlagen mussten – und an dieser Stelle begann ich mich wirklich zu ärgern!
Ungelenkes wurschteln mit unpassendem Werkzeug ist vollkommen ok, während eine fachgerechte Reparatur SOFORT zum totalen Vertrauensverlust führt! „Da ist ja dran repariert worden!“ Ist das vielleicht gar nicht original?
Richtig. Für „original“ darf jeder Schwachkopf mit Faustkeil und Abrissbirne an dem Instrument gefuhrwerkt haben. Je mehr zernudelt, desto mehr vintage! Nur lasse niemals, NIEMALS einen Fachmann eine korrekte Arbeit daran verrichten. „Da ist ja dran repariert worden! Da stimmt doch was nicht! Das riecht nach Betrug!“
Wenn wir bei alten Autos ähnlich verfahren würden, dürfte Adolfs Brezelkäfer nur mit versteinerten original Keilriemen und Reifen aus dem 1000-jährigen Reich als Wertanlage durchgehen. „Wie, die Dichtungen sind durch dichte ersetzt worden? Dann fahre ich aber nicht damit!“ Nun ja – mit einem Wrack aber auch nicht! Also – was willst Du? Ein altes Auto, oder einen Beutel Eisenoxyd mit Typenschild und Seriennummer?
Und so bringt ein T1 nur dann den Höchstpreis, wenn er technisch und optisch wie aus der Fabrik daher kommt! Dann kann man damit fahren und ihn bewundern.
Bei Gitarren gilt das nicht. Reparaturen daran durch Fachleute gelten als wertmindernd, Restaurationen sind total verboten! Ist irgendwie schon blöd, wenn man das alte Instrument darum kaum spielen kann …
Die Fachleute für Vintage Gitarren sind übrigens nie Gitarrenbauer. Niemals! Es sind Kaufleute, die sich mit alten Gitarren auskennen.
Hmmm …
Ich bin 1963 geboren und kenne sie alle. VW Käfer, Ford Badewanne, Opel B-Kadett, Fiat 500, Ente, R4 … In allen gefahren, einige besessen. Bin ich jetzt ein Fachmann für alte Autos? Würde mir jemand seinen DKW zur Restauration anvertrauen?
Wohl nicht! Da steht nämlich das Wort „Restauration“, und dafür muss man was können.
Wie wir eben erfahren haben, darf man Gitarren auf keinen Fall restaurieren – dann muss auch keiner was können! Soll man in diesem Fall auch nicht.
Es ist vielleicht sogar so, dass Leute, die ihr Handwerk verstehen, hier nicht so gerne gesehen sind. Dass nüchterne Analysen und klare Aussagen über Zustand und Nutzbarkeit eines Instruments das Geschäft auf der einen und den Mojo auf der anderen Seite bis zur Gänze zerbröseln. Das versaut das Geschäft und den guten Glauben! Dann verzichtet man doch lieber ganz auf die Instrumentenbauer, denen es ja ohnehin an Ehrfurcht vor der Kunst der alten Meister mangelt, die, wie jeder Kenner weiß, ihre Geheimnisse mit ins Grab genommen haben.
So bleiben die Relikte vergessener Handwerkskunst unverkauft, unspielbar und in dem Ruf, unfassbar wertvoll zu sein.
„Sag mal, hattest du nicht noch eine 70er Strat? 3000 Euro würde ich wohl bezahlen …“