Schrott oder Schatz?
Gitarren zwischen Sammlung und Spekulation, zwischen Handwerk und Handel.
Was mag wohl ein Papierfabrikant zum Wert der blauen Maurizius sagen?
Eine Einleitung, die wie eine Arschbombe in das Thema fällt!
Hatte Kultur jemals allein den Materialwert eines Werkes im Auge? Natürlich nicht! Michelangelos „David“ ist nur ein Brocken Marmor, der nicht mal zum Auslegen einer Küche gereicht hätte. Allerdings ist die Kunstfertigkeit in diesem wunderschönen Werk unbestritten.
Worin aber besteht der Wert eines alten Serieninstruments? Das Material ist es nicht. Ein Berufskollege rief mich vor einiger Zeit an und berichtete mir, die '57er Strat, die er gerade vor einer Neulackierung abgezogen hatte, sei dreiteilig – das ist weiter nichts besonderes – aber sie bestand zu zwei Teilen aus Erle und zu einem Teil aus Esche. Die Leute, die man sich damals für solche Arbeiten von der Straße holte waren keine Gitarrenbauer – sie waren nicht einmal Handwerker! Irgend ein Hilfsarbeiter bekam irgendwas in die Hand und daraus entstand zufällig eine Gitarre. Ihm wäre es bei gleichem Lohn egal gewesen, wenn es ein Holzschuh geworden wäre. Da ist weder Kunst, noch Fertigkeit, noch Liebe noch schönes Material.
Sind es Liebhaber oder Spekulanten, die aus einer alten, nicht selten zerbastelten Kiste den heiligen Gral machen? Ich glaube, sie wechseln vom einem zum anderen, wenn es um genug Geld geht. Die Aussicht auf den großen Gewinn machen die vorgestellte Ehrfurcht vor der Historie der Künstler und Erbauer zur Notwendigkeit. Dieser Satz klingt vielleicht respektlos, aber wie anders ist es zu erklären, dass immer dann, wenn eine Epoche gänzlich abgegraben ist, eine andere Instrumentengruppe als „besonders wertvoll“ ausgerufen wird, die kurz zuvor noch auf Flohmärkten mit Missachtung gestraft wurde?
Wer sind eigentlich die Fachleute, die den Wert dieser Instrumente feststellen? Ein Ostdeutsche Traditionsfirma versucht, ihre Gitarren aus alten Tagen in großen Anzeigen mit einem genauso großen Preis zu versehen. Eine Werbeaktion, die im Lande allgemein eher belächelt wird. Warum eigentlich? Wenn man doch nun selbst den Namen trägt und die Gitarren gebaut hat, sollte man doch ihren Wert angeben können?! Offenbar geht das nicht so einfach! Raritäten müssen nämlich den Nimbus des Geheimtipps haben. Das kann kein Hersteller und kein Gitarrenbauer. Die Preise sind dabei niemals an rationale Werte angebunden. Mojo und Feel stehen Handwerk und Fachkenntnis diametral gegenüber. Die Leute, die die Preise für besonders wertvolle Instrumente machen, sind Spekulanten und Dealer. Untermauert werden sie dadurch, dass jemand den überzogenen Preis für eine alte Flohmarktgurke bezahlt.
Die Verkäufe in öffentlichen Börsen sind aber nicht selten abgekartete Shows. Eine Gitarre, die zu einem Phantasiepreis scheinbar den Besitzer wechselt, kostet zwar Gebühren, aber die Investition ist gut angelegtes Geld: Sie bestätigt potentielle Kunden mit kleinerem Portemonnaie, dass auch „günstigere“ Instrumente eine gute Wertanlage sind. So wird im Fahrwasser der „großen Geschäfte“ echter Schrott als Wert verkauft.
...und am nächsten Tag liegen diese Gitarren auf unserer Werkbank.
Aber wie geht man jetzt damit um?
Da kommt ein Kunde mit einer Hofner Club 40 aus den 50ern. Eine Sperrholz Schachtel, etwa in Form einer Les Paul, Der Halsstock ist gebrochen, der Hals hat sich halb vom Korpus gelöst, die Fugen am Hals sind offen, das Griffbrett hat sich hohl gezogen. Der Gitarrenbauer als Handwerker sollte den Hals und die Bünde richten, den Halsstock ggf. erneuern, den Hals wieder einsetzen und in dem Zuge vermutlich Teile des Halses neu lackieren. Kostenpunkt: etwa 400 Euro.
Jetzt sieht man sich das traurige Gerät noch mal an und fragt sich: Ist diese Schachtel das wert? Bloß, weil John Lennon mal so ein Ding gespielt hat? Nein. Flohmarktwert € 30.-
Moment... John Lennon?
Eine Gitarre bearbeiten, die vielleicht John Lennon einmal berührt hat? Die ihm gewiss gehörte? Auf der er seine größten Hits gespielt hat? Von der er sich nie getrennt hätte, wenn nicht Rickenbacker...
Niemals!
Es ist ein Sakrileg, ein solches Heiligtum mit groben Handwerkerhänden zu entweihen.
Hier ist der Gitarrenbauer als Restaurator gefragt! Dabei geht es vor allen Dingen darum, Eingriffe unsichtbar zu gestalten. Wenn wir jetzt mit allen Mitteln um den Erhalt der Originalität kämpfen, dauert das aber fünf mal so lang. Erhöht sich dazu analog der Preis, kann man erleben, wie den ehrfürchtigen Liebhabern das Lächeln abschmiert – reduziert sich doch damit die Marge beim Wiederverkauf.
Hier entlarvt sich die ganze Liebhaberei als schnöde Spekulation.
Aber daneben gibt es ihn doch tatsächlich: Den aufrichtig ehrfürchtigen Gitarristen und Liebhaber von Gitarren. Ich habe mal einen Kunden mit einer Oh-Wehchen scherzhaft mit dem Satz begrüßt: “Aah – eine Suppenschüssel...!“ Ich hätte eher seine Frau beleidigen dürfen. Der Mann machte auf dem Absatz kehrt und ich sah ihn nie wieder. Es tat mir Leid, ihn so unbedacht verscheucht zu haben, sind diese Menschen doch die wenigen, die man einfach und aufrichtig beraten kann: „Wenn sie das Instrument lieben, dann lohnt sich auch die Reparatur daran!“
Gitarristen, Liebhaber, Sammler, Spekulanten...
Wer ist wer?
Und was also soll der Gitarrenbauer tun, wenn er eine alte Gitarre vorgelegt bekommt?
Restaurieren? Reparieren? Bestaunen? Reparatur ablehnen? Diskutieren? Schweigen und kassieren?
Was die Instrumente wert sind, will man von uns nicht wissen – zumindest dann nicht, wenn sich unsere Auffassung mit den Vorstellungen von Sammlern oder Spekulanten nicht deckt. Hier ist der Gitarrenbauer als Vollstreckungsgehilfe gefragt, der sein Scherflein am aufgeblasenen Kuchen verdienen kann, wenn er über das Stöckchen springt.
Da freue ich mich doch über jede Westergitarre mit eingedrückter Decke, jede Lackierung und jede Les Paul mit abgebrochener Kopfplatte. Dabei ist Handwerk gefragt und keine Schliche.